Zusammenfassung

Florian Schönfuß

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Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861) gehört zu jener Generation rheinischer Adliger, die, noch durch das Ancien Régime geprägt, die fundamentalen Umbrüche im Kielwasser der Französischen Revolution in all ihrer Wucht und Unberechenbarkeit erfuhr. Schon bald nach seinem Herrschaftsantritt als Landesherr der kleinen reichsunmittelbaren Grafschaft Dyck besetzten die französischen Revolutionstruppen im Oktober 1794 das linke Rheinufer. Trotz Verlusts aller Herrschaftsrechte, Titel und Privilegien sowie der Beschlagnahme weiter Teile seines Besitzes entschied er sich anders als viele seiner Standesgenossen gegen die Emigration und für eine Zusammenarbeit mit den Repräsentanten der knapp 20 Jahre währenden französischen Herrschaft. Seit seiner Jugend eng vertraut mit Kultur und Sprache des westlichen Nachbarlandes sowie dem Ideengut der Aufklärung, gelang Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck durch Kompromissbereitschaft, Verhandlungsgeschick und das virtuose "Management" eines europaweit gespannten Gesellschaftsnetzwerks eine beispiellos erfolgreiche Anpassung an das meritokratische System Napoleons. Binnen weniger Jahre reüssierte er in verschiedensten Ämtern der Staatsverwaltung des Empire, erlangte die Ehrenlegion und wurde schließlich als Comte d'Empire in den napoleonischen Verdienstadel aufgenommen.

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Auch jenseits von Politik und Staatsdienst wusste Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck die mannigfachen Chancen einer grundlegend gewandelten Gesellschaftsordnung für sich zu nutzen. Seine (zweite) Ehe mit der französischen Schriftstellerin Constance de Pipelet, sein Wirken als Wissenschaftspionier auf dem Gebiet der Botanik, als Freimaurer, Kunstsammler und Gartenarchitekt, und nicht zuletzt als Reisender sind nur einige Exponenten eines äußerst facettenreichen "Aufbruchs in die Moderne". Dessen ungeachtet behielt er eine dezidiert aristokratische Selbstsicht verbunden mit dem Anspruch auf Wiedererlangung einer Position als lokaler Herrschaftsträger. Letztere vermochte er ab 1815 unter preußischer Herrschaft in Teilen durchzusetzen, indem er sich erneut als wichtiger regionaler Partner und Mittler einer erst unlängst etablierten Landesherrschaft darzustellen verstand. Auf ein selbstbewusstes Engagement als "liberaler" Regionalpolitiker und Fürsprecher etlicher Errungenschaften der Revolution verzichtete er indes nicht.

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Die multiperspektivische Netzbiographie porträtiert Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck als "Messlatte" adliger "Gewinner und Verlierer" der Umbruchszeit um 1800. Inhaltlich konzentrierte, eng miteinander verknüpfte Artikel widmen sich den zahlreichen, ganz unterschiedlichen Handlungs- und Erfahrungsräumen des Protagonisten. Die Beiträge sind bewusst dialogisch und erweiterbar konzeptioniert. Das Projekt versteht sich als "lebendiger" Versuch, angesichts eines immer breiter gestreuten Fachwissens neue, integrative Formate der Wissensakquise und -vermittlung zu entwickeln.

Empfohlene Zitierweise
Florian Schönfuß, Zusammenfassung, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Zusammenfassung (Datum des letzten Besuchs).