Die Kantonalspräsidentschaft des Citoyen Salm (1803–1813)
Thea Fiegenbaum
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Altgraf Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, in der Zeit der französischen Besetzung des Rheinlandes der Citoyen Salm genannt, wurde am 11. Juni 1803 [1] zum Präsidenten der Kantonalversammlung von Elsen (assemblée de canton) im Arrondissement Köln des Roer-Departements ernannt. [2] Die Ernennung erfolgte "Au nom du Peuple Français" durch die eigenhändige Unterzeichnung Napoleon Bonapartes, der zu diesem Zeitpunkt Erster Konsul der französischen Republik war. [3]
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Im Zuge der Ernennung zum Präsidenten leistete der Citoyen Salm den Eid auf die Verfassung der französischen Republik und beschwor, die zentral von Paris aus bestimmten Verordnungen und Bestimmungen pflichtgemäß zu befolgen und umzusetzen. So war er etwa als Kantonspräsident nicht befugt, den Ort und den Zeitraum einer Versammlung eigens festzusetzen. Vielmehr blieb er an die Vorgaben des Ersten Konsuls, später des Kaisers Napoleon Bonaparte gebunden. [4] Die Instruktionen gab er an die ihm unterstehenden Mairien weiter:
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"Le Président de l'assemblée cantonale d'Elsen aux Citoyens de Mairies composent le dit canton.
Citoyens! Par un arrêté du 22 Prairial passé, le gouvernement de la République ordonné de vous convoquer en assemblée de Canton, l'ouverture en est fixée au vingt de ce mois thermidor, et la durée jusqu'au vingt huit jour du même mois. […]
Donné à Dyck en 14 thermidor l'an onze – le Président." [5]
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Da Salm-Dyck einer der höchstbesteuerten Grundbesitzer des Departements war, wurde er automatisch Mitglied dieses Gremiums. [6] Begründet wurde die Ernennung Salm-Dycks mit seinen Fähigkeiten, seinen guten Sitten, seiner Verbundenheit zu den Gesetzen der französischen Republik sowie seinen bisherigen Diensten für selbige. Diese Formulierungen waren in den Urkunden standardisiert vorgeschrieben und wurden bei sämtlichen Ernennungen zum Vorsitz einer Kantonalversammlung vorgebracht. Handschriftlich ergänzt wurde allerdings seine Mitgliedschaft im Generalrat des Roer-Departements (conseil général), dem obersten Kollegialorgan eines französischen Departements, dem er seit 1800 in beratender Funktion angehörte: [7]
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"Sur le compte qui nous a été rendu de la capacité du C[itoy]en Salm Dick. Membre du Conseil G[énér]al de ses bonnes mœurs, de son attachement aux lois de la République, et de ses services et au l'ordre adm[inistra]tif. […] Nous l'avons nommé par ces présentes, scellées du petit sceau de l'État, Président de l'Assemblée du canton d'Elsen arrondissement de Cologne département de la Roer." [8]
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In den Jahren 1808 [9] und 1813 [10]wurde der nun als Sieur de Salm [11] betitelte Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck im Amt des Kantonalvorsitzes für die folgenden fünf Jahre bestätigt. Mit Ausnahme der Stellung Napoleons stimmen diese nunmehr als kaiserliche Dekrete ausgestellten Urkunden inhaltlich mit der ersten Ernennung von 1803 überein. Napoleon tritt nun als "Empereur des Français, Roi d'Italie et Protecteur de la Confédération du Rhin" auf und lässt Salm-Dyck den Eid nicht mehr nur auf die Verfassung der französischen Republik leisten, sondern erweitert ihn auf seine Person:
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"Sur le compte qui nous a été rendu de la capacité Sieur de Salm (Joseph) Président actuel de ses bonnes mœurs, de son attachement à l'État et à notre Personne, et des ses services […]. Nous l'avons nommé par ces présentes, pour présider, jusqu'au premier janvier mil huit cent dix-huit, l'Assemblée du canton d'Elsen arrondissement de Cologne département de la Roer." [12]
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Ebenso wie die weiteren Repräsentativorgane innerhalb der napoleonischen Departementalverfassung, war auch die Kantonalversammlung ein reines Exekutivorgan, das kaum Eigeninitiative ergreifen oder seinerseits auf die Pariser Politik Einfluss nehmen konnte. [13] Sie war den Pariser Ministerien direkt unterstellt und bei den Nominierungen auf die Zustimmung Napoleons angewiesen. Ein Vergleich der Ernennungs- bzw. Bestätigungsurkunden zeigt exemplarisch die Wende in der Personalpolitik Napoleons seit 1804. Einheimische Adlige, die nicht am Krieg gegen die französischen Truppen teilgenommen und sich frühzeitig kooperationswillig gezeigt hatten, erhielten zunehmend Zugang zu administrativen Ämtern oder die Mitgliedschaft in der 1802 eingerichteten Ehrenlegion. [14] Der Kantonalsvorsitz Salm-Dycks bedeutete von Beginn an eine kontinuierliche Integration in das französische System. Obgleich er eine rein ausführende und repräsentative Funktion innehatte, gewann Salm-Dyck durch sie doch wichtige Einblicke in das neue französische Rechts- und Regierungssystem, das sich zunehmend auf Verdienst und Bildung stützte. Dieses in der Französischen Revolution zum Ausdruck gekommene Ideengut sollte Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck noch bis zu seinem Lebensende stark beeinflussen.
Anmerkungen
[1] Napoleon Bonaparte ernannte am 11. Juni 1803 alle 42 Kantonalspräsidenten des Roer-Departements zu unbesoldeten Vorsitzenden der Kantonalversammlungen. Damit ging die Verpflichtung einher, an der Kaiserkrönung Napoleons 1804 teilzunehmen. Vgl. Hans-Werner Langbrandtner: Nolens Volens? – Mitarbeit in Regierung und Verwaltung, in: Gudrun Gersmann / ders. (Hg.): Im Banne Napoleons. Rheinischer Adel unter französischer Herrschaft. Ein Quellenlesebuch, Essen 2013, 121-124, hier: 123.
[2] Ernennung Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck zum Präsidenten der Kantonalversammlung in Elsen, Saint-Cloud, 11. Juni 1803, [eigenhändige Unterschrift Napoleons]. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 36/24. Eine weitere Urkunde bezeugt die Ernennung zum Vorsitz der Volksversammlung des Kantons Elsen. Sie wurde fälschlicherweise auf den 11. Juni 1802 datiert; ist jedoch ebenfalls vom 11. Juni 1803. Siehe die Urkunde zur Ernennung des Grafen, später Fürsten Joseph zum Präsidenten der Volksvertretung des Kantons Elsen, Saint-Cloud, 11. Juni 1803, [eigenhändige Unterschrift Napoleons]. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 49/2.
[3] Weitere Unterzeichner waren der Innenminister Jean-Antoine Chaptal sowie der Staatssekretär Hugues B. Maret. Das Dokument wurde durch das kleine Staatssiegel besiegelt. Jakob Bremer beschreibt dieses wie folgt: "Der amtliche Stempel trug in der Mitte eine Frauengestalt, das Symbol der französischen Republik, in der Rechten eine Lilie, in der Linken das Liktorenbündel (Ruten) mit dem Richtbeil, darunter in kleiner Schrift: Rep. Franc." Siehe Jakob Bremer: Die reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 228.
[4] Ernennung Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck zum Präsidenten der Kantonalversammlung in Elsen, Saint-Cloud, 11. Juni 1803, [eigenhändige Unterschrift Napoleons]. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck– Kart. 36/24. Siehe ferner explizit: Instruktionen für die Kantonalversammlung Elsen, Saint-Cloud, 11. Juni 1803, [eigenhändige Unterschrift Napoleons]. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 36/23. Vgl. weiterhin Sabine Graumann: Französische Verwaltung am Niederrhein, Das Roerdepartement 1798–1814, Essen 1990, 93f.
[5] Brief des Presidenten des Canton Elsen an die Bürger, Dyck, 2. August 1803. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 36/16.
[6] Langbrandtner: Nolens Volens? (wie Anm. 1), 123.
[7] Graumann: Französische Verwaltung (wie Anm. 3), 62-64. Außerdem Margit Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten... Leben und Werk des Dycker Schlossherrn Joseph Altgraf und Fürst zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861), Pulheim 2005, 81: Zwischen 1804 und 1809 wurde Salm-Dyck als Deputierter des Roer-Departements in die Gesetzgebende Körperschaft nach Paris berufen.
[8] Urkunde zur Ernennung des Grafen, später Fürsten Joseph zum Präsidenten der Volksvertretung des Kantons Elsen, Saint-Cloud, 11. Juni 1803, [eigenhändige Unterschrift Napoleons]. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 49/2.
[9] Bestätigung Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks im Kantonalspräsidentenamt, Bayonne, 17. Juli 1808. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 33/6.
[10] Dekret von Kaiserin Marie-Louise, Saint-Cloud, 19. Juni 1813. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 26/3. Unterzeichnet ist die Bestätigung stellvertretend für den Kaiser von seiner zweiten Ehefrau Marie-Louise von Österreich.
[11] Die Nobilitierung zum Comte d'Empire war eng verbunden mit der Errichtung eines französischen Familienmajorats, das 1808 von Kaiser Napoleon I. genehmigt wurde. Siehe dazu Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 7), 82-85.
[12] Dekret von Kaiserin Marie-Louise, Saint-Cloud, 19. Juni 1813. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 26/3.
[13] Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 7), 81.
[14] Zur Widersprüchlichkeit der Adelspolitik Napoleons siehe Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 7), 82. Ferner Sabine Graumann: Honneur et Patrie – napoleonische Ehrenlegionäre im Rheinland, in: Beiträge zur Jülicher Geschichte 4/1 (1993), 26-44, hier: 44. Im Jahr 1813 stammte sogar die Mehrheit der Mitglieder aus rheinischen Adelsfamilien. Siehe Langbrandtner: Nolens Volens? (wie Anm. 1), 123.