Zwischen Repräsentation und Verantwortung – die Jagd

Martin Otto Braun

<1>

Die Jagd zählte im Ancien Régime zu den standesgemäßen Betätigungen einer adligen Person. Sie sollte insbesondere die jungen Kavaliere an den Umgang mit Waffen gewöhnen, besaß jedoch auch einen eindeutig repräsentativen Charakter. [1] Davon zeugte auf Schloss Dyck lange Zeit eine prächtige Waffensammlung, die durch den Stammvater des salm-reifferscheidtschen Familienzweiges, Ernst Salentin, im 17. Jahrhundert begründet worden und noch Anfang des 20. Jahrhunderts in einem mit Jagdtrophäen ausgestatteten Waffensaal ausgestellt war. [2]

<2>

Auch Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck war ein passionierter Jäger, worauf nicht nur sein napoleonisches Ehrenamt als Capitaine der Wolfsjagd für die vier rheinischen Departements einen deutlichen Hinweis gibt, sondern auch die Zahl der zu seinen Lebzeiten erworbenen bzw. von den auf Schloss Dyck eigens beschäftigten Büchsenmachern angefertigten (Jagd-)Gewehre. [3] Auch in seiner privaten Korrespondenz nahm das Thema "Jagd" einen festen Platz ein. So tauschte Joseph sich bis in die späten 1840er Jahre mit verschiedenen Korrespondenzpartnern angeregt über die Zahl des erlegten Wildes oder über die Vorbereitung und den Verlauf der jeweiligen Jagden aus. [4]

<3>

Wichtiger ist hier jedoch, dass der Fürst auch nach Abschaffung aller adligen Jagdprivilegien in der französischen Zeit streng über die korrekte Jagdausübung auf seinen Privatgütern wachte. Hierüber geben drei Briefe des aus dem nahe Schloss Dyck gelegenen Kleinenbroich stammenden Webers Jakob Effern Auskunft. [5] Die Briefe zeigen sehr deutlich, dass Fürst Joseph – ganz im Gegensatz zu seinen sonst teils liberalen Einstellungen – bei "Jagdfreveln" noch immer Strenge walten ließ. In der Zeit unmittelbar vor den revolutionären Ereignissen von 1848, in deren Zuge auch die letzten Jagdvorrechte des Adels in den übrigen, dem Allgemeinen Landrecht unterworfenen Provinzen der Hohenzollernmonarchie kassiert wurden, [6] erscheint dieses konsequente Durchsetzen der eigenen Jagdhoheit auf seinen Ländereien auch lange nach dem Verlust jeglicher Feudalrechte (Jagdregal) besonders beachtenswert.

<4>

Aus den genannten Briefen geht hervor, dass Effern auf dem Privatbesitz des Fürsten Joseph gewildert hatte und der Fürst nun als Kläger gegen den Weber auftrat. In einem ersten Brief vom 22. September 1837 bittet Effern angesichts seiner "Familien Verhältnisse als Wittwer, und Vater mehrerer minderjährigen Kinder" den Fürsten um Vergebung und um Fürsprache bei der königlich preußischen Justiz zur Milderung des von ihr verhängten "harten Strafmaßes". [7] Nur der Fürst sei, so Effern, dazu befähigt, "die ganze Strafe zu tilgen" und ihm "volle Vergebung und Tilgung der Schuld zu verleihen". [8]

<5>

Offenbar konnte sich Joseph in diesem Fall jedoch nicht für eine entsprechende Vermittlung oder gar eine Zurücknahme seiner Klage erwärmen. Dass er mit seiner Skepsis bezüglich Efferns Besserungsbeteuerungen nicht ganz falsch lag, zeigt kurioserweise eine Selbstbeschreibung des Wilderers, die er nach Verbüßung seiner "dreimonatigen harten Strafe" in einem auf den 10. Januar 1838 datierenden Brief an Joseph gab. [9] Mit nahezu erpresserischer Dreistigkeit bekundete Effern, dass er dem ihm "angeborenen Fehler der Jagdliebhaberey" kaum zu widerstehen vermöge und dass der einzige Ausweg, der einen Rückfall in die Wilderei verhindern könne, in einer Anstellung als Jäger im Dienste des Dycker Fürsten bestünde. Dass Effern die Sache durchaus ernst war, zeigt ein erneutes Anstellungsgesuch wenige Wochen später, anlässlich des Ausscheidens des Jägers Heinrich Holzapfel aus fürstlichem Dienst. [10]

<6>

Ob Fürst Joseph dem erneuten Bitten Efferns schließlich statt gab, ist nicht überliefert. Der kühl-distanzierte Umgang mit dem Wilderer beweist jedoch eindrücklich, dass das Jagen auf seinen Privatgütern für Fürst Joseph weit mehr darstellte als einen bloßen Zeitvertreib. Das Beharren auf der selbstständigen Ausübung der Jagd blieb vielmehr Nachweis adliger Lebensführung par excellence, die es paradoxerweise gerade aus diesem Grund umso hartnäckiger mit den Mitteln des bürgerlichen Rechts zu verteidigen galt.
 

Anmerkungen

[1] Siehe hierzu etwa Martin Knoll: Dominanz als Postulat. Höfische Jagd, Natur und Gesellschaft im "Absolutismus", in: François Duceppe-Lamarre / Jens Ivo Engels (Hg.): Umwelt und Herrschaft in der Geschichte, München 2008, 73-91; Werner Rösener: Adel und Jagd. Die Bedeutung der Jagd im Kontext der adeligen Mentalität, in: Agostino Paravicini Bagliani / Baudouin van den Abeele (Hg.): La chasse au Moyen age: société, traités, symboles, Florenz 2000, 129-150. Knoll verweist etwa auf die verschiedenen Uniformen, die zur Falken- oder Treibjagd getragen wurden et cetera.

[2] Max von Ehrenthal: Die Waffensammlung des Fürsten Salm-Reifferscheidt zu Schloss Dyck, Mönchengladbach 1906, 5f.

[3] Ehrenthal: Waffensammlung (wie Anm. 2), 5f.

[4] Dies geht aus diversen Briefen hervor, die zum "Fonds Salm" der Société des Amis du Vieux Toulon et de sa Région zählen. Diese wurden durch eine am DHI Paris angesiedelte Forschergruppe erschlossen und können über eine Online-Datenbank eingesehen werden.

[5] Korrespondenz mit Jakob Effern. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 2/81. Für den Hinweis auf diese Dokumente bedanke ich mich bei Frau Monika Gussone (Aachen).

[6] Siehe zu den Bestimmungen für die jeweiligen Provinzen vor 1848 Carl Wilhelm Hahn: Das Preußische Jagdrecht: Aus den allgemeinen Landesgesetzen, den Provinzial=Jagdordnungen, den Ministerial= und Regierungs=Verordnungen systematisch entwickelt und mit Abdrücken der Provinzial=Jagd=Gesetze versehen, Breslau 1836.

[7] Jakob Effern an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Kleinenbroich, 22. September 1837. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 2/81.

[8] Jakob Effern an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Kleinenbroich, 22. Januar 1837. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 2/81.

[9] Jakob Effern an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Kleinenbroich, 10. Januar 1838. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 2/81. Das preußische Jagdrecht für die Rheinprovinz sah für Wilderei eine Freiheitsstrafe von ein bis drei Monaten vor. Diese konnte in bestimmten Fällen bis auf sechs Monate erhöht werden. Vgl. Carl Wilhelm Hahn: Jagdrecht (wie Anm. 6), 329.

[10] Jakob Effern an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Kleinenbroich, 20. April 1838. In: Archiv Schoss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 2/81.

Empfohlene Zitierweise
Martin Otto Braun, Zwischen Repräsentation und Verantwortung – die Jagd, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Jagdleidenschaft (Datum des letzten Besuchs).