Die Ahnengalerie der Altgrafen und Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Dyck

Martin Wolthaus

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Bis 1945 bildete die Ahnengalerie der Altgrafen und Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Dyck neben der Waffensammlung und der Bibliothek die bedeutendste Ausstattungsgruppe von Schloss Dyck. In den letzten Kriegstagen fielen die Ahnenporträts dem Vandalismus zum Opfer: Nahezu jedes der 30 Bilder wurde entweder großflächig zerschnitten oder zerschossen. Die beschädigten Bildnisse sind in der Folge eingelagert worden. Lediglich das Bildnis des Stammherrn Gerard von Reifferscheidt und das Porträt des Fürsten und Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck wurden wieder instand gesetzt oder blieben unbeschädigt. [1]

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Die Ahnengalerie – unter dem Altgrafen Franz Ernst zu Salm eingerichtet – findet erstmals in einem Inventar aus dem Jahr 1725 Erwähnung. [2] Von diesem Zeitpunkt an bis zu ihrer weitgehenden Zerstörung befand sie sich im Obergeschoss des Südflügels. Hier war sie in einer etwa vier Meter breiten und 38 Meter langen hofseitigen Galerie untergebracht. Der Raum war direkt vom Haupttreppenhaus des Schlosses erreichbar und stand in Verbindung mit dem großen Saal im Obergeschoss des Ostflügels. In dieser Hinsicht der repräsentativen Sphäre des Schlosses zugeordnet, diente die Galerie der Erschließung mehrerer Schlaf- und Gästezimmer im Südflügel. Sie stellte die Verbindung zwischen Ost- und Westflügel her.

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Abb. 1: Die Ahnengalerie in Schloss Dyck, circa 1895, historisches Fotoalbum im Besitz der Stiftung Schloss Dyck.
Rechte: Familie von Wolff Metternich zur Gracht

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Ursprünglich 28 Generationen umfassend, wuchs die Ahnenreihe im 18. und 19. Jahrhundert auf 30 Porträts an. Ziel der Ahnengalerie war es, die Familie Salm-Reifferscheidt auf Karl den Großen zurückzuführen. Da dies in einer rein agnatischen Stammreihe nicht möglich war, bezog man teilweise die Vorfahren der Ehefrauen in die Ahnengalerie mit ein. Ausgehend von Karl dem Großen führte die Ahnenreihe über die Grafen von Löwen aus dem Haus Hennegau, die Herzöge von Niederlothringen aus dem Haus Lützelburg auf die Grafen von Arlon aus dem Haus Limburg. Über diese erfolgte dann in der 13. Generation die Anbindung an die Herren von Reifferscheidt. Repräsentation und Memoria des Hauses Salm-Reifferscheidt waren in dieser Ahnengalerie augenfällig inszeniert.

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Die Bildnisreihe wurde en bloc von einem unbekannten Künstler angefertigt und zeigte entsprechende Wiederholungen. Die Modelle waren als ganzfigurige Porträts überlebensgroß und stehend abgebildet. Attribute und Details des Hintergrundes variierten leicht. Der Maler bemühte sich um eine historisierende Gestaltung der Kostüme. So wurden die frühen Karolinger in langen Gewändern und Umhängen gezeigt, ab Ludwig II., dem Stammler, trugen sie antikisierende römische Rüstungen. In den späteren Generationen tauchten Plattenrüstungen, Schauben oder spanische Schultermäntel auf. Da die modischen Details des Kostüms allerdings nur in Ausnahmefällen zur Epoche der dargestellten Person passten, lässt sich nicht von einer authentischen Wiedergabe sprechen. Wenn historische Porträts vorhanden waren, wurden diese vom Künstler für die Ahnengalerie angepasst. Auf diese Weise gelangte als einziges Reiterporträt das Bildnis des Altgrafen Ernst Salentin in die Bilderreihe.

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Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ergänzte man die Ahnengalerie um das Porträt des Altgrafen Franz Wilhelm zu Salm und brachte über den Türen Ansichten der Schlösser, Burgen und Herrschaften des Hauses Salm-Reifferscheidt an. [3] Der Vater des späteren Fürsten Joseph bildete lange Zeit den vorläufigen Abschluss der Ahnengalerie. Mit der Französischen Revolution kam es vorerst zu einer Unterbrechung. Die Ahnengalerie blieb zwar erhalten, wurde aber nicht weitergeführt. Bemerkenswerterweise zeigte man die Galerie bereits im frühen 19. Jahrhundert auch fremden Besuchern. Sie galt neben den Gartenanlagen als eine Hauptattraktion der Schlossanlage. [4]

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Abb. 2: Julius Amatus Roeting: Porträt des Fürsten und Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, 1854, 269 cm x 147 cm, Öl auf Leinwand.
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Joseph zu Salm bewahrte das Erbe seiner Familie, erteilte aber lange Zeit keine weiteren Porträtaufträge. Erst 1854, im Alter von 81 Jahren, ließ er sich von dem Maler Julius Amatus Roeting porträtieren. [5] Auf diesem Porträt trägt der Fürst die Uniform eines Obristen des 17. königlich preußischen Landwehrregiments  (Glossareintrag "Landwehr") und dazu das Kreuz der französischen Ehrenlegion. Doch erst nach dem Tod des Fürsten veranlasste sein Neffe Alfred zu Salm-Reifferscheidt-Dyck die Aufnahme des Porträts in die Ahnengalerie. Es blieb die letzte Ergänzung der Dycker Ahnengalerie vor ihrer Zerstörung.
 

Anmerkungen

[1] Diese Bildnisse sind als Dauerleihgabe der Familie Wolff-Metternich in Schloss Dyck ausgestellt. Die Hinweise zu den Beschädigungen und zum Verbleib der Ahnenbildnisse verdanke ich Graf Peter Wolff-Metternich.

[2] Inventar 1725/27. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 214, 123v.

[3] Es handelt sich um acht Veduten, auf denen Salm, Reifferscheidt, Bedburg, Dyck, Alfter und Hackenbroich abgebildet sind. Die zwei verbleibenden Bilder zeigen unbekannte Schlösser. Vgl. Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 3.4 (= Die Kunstdenkmäler des Kreises Grevenbroich), Düsseldorf 1897, 20.

[4] Vgl. hierzu: N.N.: Das Schloß zur Dyck, mit der neuen botanischen Anlage, und dem alten Rittersaale, in: Gesellschaft von Freunden des Vaterlandes (Hg.): Vaterländische Blätter, den Bewohnern des Niederrheins gewidtmet, Bd. 2, Heft 1, Düsseldorf 1814, 35-42, hier: 40f. Online unter: http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/3432793 (27.05.2014)

[5] Das Porträt ist unten links signiert und datiert.

Empfohlene Zitierweise
Martin Wolthaus, Die Ahnengalerie der Altgrafen und Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Ahnengalerie (Datum des letzten Besuchs).