Botaniker

Rita Hombach

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Salmia – Reifferscheidia – Dyckia – dies sind nur einige der Pflanzengattungen, die im 19. Jahrhundert erstmals wissenschaftlich beschrieben, zu Ehren des Altgrafen und späteren Fürsten Joseph benannt wurden und auf diese Weise sein Werk als Botaniker würdigen. [1]

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Abb. 1: Echinopsis nova species […], o.D., Zeichnung mit Erläuterungen von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck.
Rechte: Familie von Wolff Metternich zur Gracht

Bereits auf seiner Kavalierstour beschäftigte sich der junge Altgraf mit der Botanik. Er besuchte 1787 bis 1789 in Paris den Jardin du Roi, einen der bedeutendsten Botanischen Gärten seiner Zeit und zugleich pflanzenkundliche Forschungsstätte. [2] Die Botanik hatte durch die Fülle bis dato unbekannter Pflanzen, die im Zuge der großen Forschungsreisen nun nach Europa gelangten, großen Auftrieb erhalten. [3] Die Voraussetzung für eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema war die Verfügbarkeit von geeigneten Studienobjekten. Um an diese zu gelangen, war Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck allerdings nicht ausschließlich auf den Zugang zu einem Botanischen Garten angewiesen. Denn als Landesherr der reichsfreien Herrlichkeit Dyck, sodann als Großgrundbesitzer und späterhin als Fürst von Preußens Gnaden verfügte er durchaus über die Mittel und das Terrain für den Aufbau einer eigenen Pflanzensammlung. Anhand dieser bald hunderte, später tausende verschiedener Arten umfassenden Sammlung betrieb er seine Forschungen: die Bestimmung, Beschreibung und Benennung der Spezies, ihre Einordnung in ein System bzw. die Ausarbeitung eines neuen Ordnungsschemas. Hierzu erstellte er Exzerpte aus der Fachliteratur, hielt seine Beobachtungen und Erkenntnisse schriftlich fest, stellte Herbarien zusammen und fertigte Zeichnungen der verschiedenen Pflanzen an (Abb. 1). [4]

 

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Seine Bestände dokumentierte Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in Pflanzenlisten, die er laufend aktualisierte. [5] Sie dienten ihm als Arbeitsgrundlage, zur Vervollständigung seiner Sammlung und zum fachlichen Austausch mit anderen Forschern. Seine wissenschaftliche Korrespondenz ist äußerst umfangreich. [6] Mit nahezu allen wichtigen Botanikern seiner Zeit stand er in Kontakt. Ebenso wie die Botanischen Gärten [7] veröffentlichte auch Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck seine Pflanzenlisten. Die umfangreichste ist der Hortus Dyckensis oder Verzeichnis der in dem botanischen Garten zu Dyck wachsenden Pflanzen aus dem Jahr 1834 mit mehreren tausend Arten. [8] Darin legt er zudem seine Observationes botanicae dar, eine Fortsetzung der gleichnamigen Ausgaben aus den Jahren 1820 bis 1822. [9] Viele Pflanzenarten wurden erstmals durch ihn bestimmt, beschrieben und veröffentlicht. [10] Sein offizielles Autorenkürzel hierfür, das dem botanischen Gattungs- und Artnamen nachgestellt wird, lautet "Salm-Dyck". [11]

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Das Hauptforschungsinteresse Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck galt den Sukkulenten, zu denen unter anderem Aloen, Kakteen und Mittagsblumen gehören. Nach eigenen Aussagen war die Übernahme der Bestände aus den ehemaligen kurfürstlichen Orangerien in Bonn und Brühl die Ursache für die Wahl dieses Fachgebietes. [12] Seine Forschungsthemen wurden demnach auch durch die Schwerpunkte seiner Sammlung beeinflusst. Umgekehrt strebte er die Vervollständigung der Sammlung an, um die Basis für seine Forschungen zu verbessern. So verfolgte er mit einer Arbeit über die Aloen im Jahr 1817 eigens die Absicht, seine Korrespondenz mit seinen Kollegen, vor allem in England, zu erleichtern. Er konnte aufgrund dessen seine Kollektion stark vergrößern. [13] Schließlich besaß er die umfangreichste und bedeutendste Sukkulentensammlung weltweit. [14]

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Die meisten seiner Publikationen sind dieser Thematik gewidmet, darunter viele Sukkulentenverzeichnisse, deren erstes vermutlich schon 1809 erschien. [15] Ab 1836 brachte er als Ergebnis langjähriger Forschungsarbeit über Aloen und Mittagsblumen die Monographia generum Aloes et Mesembryanthemiheraus. [16] Im Gegensatz zu seinen anderen Fachpublikationen ist sie von dem Pflanzenzeichner Eskuchen aufwändig illustriert worden (Abb. 2). Der letzte Faszikel zu den Aloen erschien 1863, also zwei Jahre nach dem Tod des Fürsten 1861.

Abb. 2: Mesembryan-themum tigrinum, teilkolorierte Lithographie von Eskuchen.
Rechte: gemeinfrei

Abb. 3: Exemplar der Cacteae in horto Dyckensi cultae 1844 mit handschriftlichen Ergänzungen Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck auf eingebundenen Leerseiten.
Rechte: gemeinfrei

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Einen weiteren Schwerpunkt setzte Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck bei den Kakteen. Von 1841 bis 1850 veröffentlichte er mehrere kommentierte Verzeichnisse unter dem Titel Cacteae in horto Dyckensi cultae (Abb. 3). [17] Die letzte Ausgabe geht in Umfang und Bedeutung weit über die vorherigen hinaus. Er gibt darin einen Überblick über den Forschungsstand seit Veröffentlichung des letzten grundlegenden Werks zur Kakteenkunde von Ludwig Karl Georg Pfeiffer im Jahr 1837. [18] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck führt darin die seitdem veröffentlichten Gattungen und Arten von Kakteen vollständig auf – insgesamt 807 Arten, Unterarten und Varietäten. Zusätzlich gibt er die Synonyme an, weist auf die Literatur zur Erstbeschreibung bzw. eine Abbildung der Pflanze hin. [19] Diese akribische Aufstellung ergänzt er durch eine eigene botanische Systematik samt Bestimmungsschlüssel, die das Ergebnis intensiver Forschungen ist und die bislang relativ unübersichtliche Taxonomie verbessern sollte. [20] Das grundlegende Werk sollte ein halbes Jahrhundert lang seine Gültigkeit behalten, bis endlich mit der Gesamtbeschreibung der Kakteen von Karl Moritz Schumann 1899 ein neuer Forschungsstand erreicht wurde. [21] Unbestritten bleiben jedoch die Bedeutung Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck als Botaniker und seine Verdienste um die Erforschung der Kakteen. [22]
 

Weiterführende Literatur im Netz

Online verfügbare Publikationen Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck zur Botanik

Hortus Dyckensis
http://archive.org/details/hortusdyckensiso01salm

Hortus Dyckensis (französisch)
http://catalog.hathitrust.org/Record/011608350

Monographia Generum Aloes Et Mesembryanthemi
http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/dms/werkansicht/?PPN=PPN686130081

Cacteae in horto dyckensi cultae anno 1844 (Paris 1845)
http://catalog.hathitrust.org/Record/011553615

Cacteae in horto dyckensi cultae anno 1849 (Bonn 1850)
http://catalog.hathitrust.org/Record/002003665

Index plantarum succulentarum in Horto Dyckensi cultarum (1829)
http://catalog.hathitrust.org/Record/011537254

Observationes botanicae ... (1820–1822)
http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/botanik/urn/urn:nbn:de:hebis:30:4-6322

Verzeichniß der verschiedenen Arten ... Aloe (1817)
http://www.zum.de/stueber/salm/index.html

Anmerkungen

[1] Frans-Antonic Stafleu / Richard S. Cowan: Taxonomic literature. A selective guide to botanical publications with dates, commentaries and types, Bd. 5, 2. Aufl., Utrecht 1985, 8. Die Gattung Salmea wurde 1813 von Candolle, Reifferscheidia 1835 von Karl Boriwog Presl, Dyckia 1830 von Julius Hermann Schultes nach Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck benannt. Außerdem erhielten viele Arten ihren Namen ihm zu Ehren.

[2] Heinke Wunderlich: Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt (1780–1791). Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime, Heidelberg 1984 (= Beiträge zur Geschichte der Literatur und Kunst des 18. Jahrhunderts 8), 100.

[3] Zur Geschichte der Pflanzenimporte: Toby Musgrave / Chris Gardner / Will Musgrave: Pflanzensammler und -entdecker. 200 Jahre abenteuerliche Expeditionen, München 1999; Stadt Frankfurt am Main (Hg.): Grünes Gold. Abenteuer Pflanzenjagd, Frankfurt a. M. 2001 (= Palmengarten Sonderheft 35).

[4] Dieses Material ist größtenteils 1992 und 1993 versteigert worden. Vgl. Venator & Hanstein. Kölner Buch- und Graphikauktionen, Auktion 66: Bibliothek Schloss Dyck und weitere wertvolle Bücher, Druckgraphik, Handzeichnungen, Autographen, 14. und 15. September 1992. Noch vorhandenes Material mit Pflanzenlisten, schriftlichen Notizen und Zeichnungen: Archiv Schloss Dyck, Bestand Botanik, Nr. 1-18 [Alte Signatur].

[5] Erste handschriftliche Listen sind bereits aus den Jahren um 1800 vorhanden. Sie befinden sich heute im Gemeindearchiv Jüchen.

[6] Beispielsweise existieren Briefwechsel mit den Botanikern Augustin Pyrame de Candolle, Adrian Hardy Hayworth, Adrien de Jussieu, Ludwig Georg Karl Pfeiffer, mit André Thouin, Josef Freiherr von Jacquin, Friedrich Otto und anderen Direktoren Botanischer Gärten, mit den Gartenarchitekten und Pflanzenkennern Peter Joseph Lenné senior und junior, Joseph Clemens Weyhe und Maximilian Friedrich Weyhe. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Korrespondenz mit Botanikern in Deutschland und Europa.

[7] Fritz Kümmel: Joseph Fürst zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861) – der bedeutende Sammler und Systematiker sukkulenter Pflanzen im 19. Jahrhundert, in: Kakteen Sukkulenten 16 (1981), 22-30, hier: 24.

[8] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck: Hortus Dyckensis oder Verzeichnis der in dem botanischen Garten zu Dyck wachsenden Pflanzen, Düsseldorf 1834. Auch als französische Ausgabe erschienen: Hortus Dyckensis ou Catalogue des plantes cultivées dans les jardins de Dyck, Düsseldorf 1834.

[9] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck: Observationes botanicae in horto Dyckensi notatae […], Köln 1820–1823.

[10] Zu den von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck behandelten Pflanzenarten siehe auch (Suche mit dem Autorenkürzel "Salm-Dyck"): The International Plant Names Index https://www.ipni.org/  (23.07.2013).

[11] Stafleu / Cowan: Taxonomic literature (wie Anm. 1), 7.

[12] Salm-Reifferscheidt-Dyck: Hortus Dyckensis (wie Anm. 8), IV. Karl Koch gibt außerdem an, dass die Schriften Augustin Pyrame de Candolles dieses Interesse begründeten. Karl Koch: Fürst Joseph, Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, in: Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Königlich Preussischen Staaten für Gärtnerei und Pflanzenkunde 19 XXX (1861), 145-148, hier: 146f.

[13] Verzeichniß der verschiedenen Arten und Abarten des Geschlechts Aloe, welche von den Herren von Willdenow, Haworth, de Candolle und Freiherrn von Jacquin beschrieben worden sind, oder noch unbeschrieben in den Gärten Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande sich befinden, Düsseldorf 1817. Zu seinen Absichten: Salm-Reifferscheidt-Dyck: Hortus Dyckensis (wie Anm. 8), V.

[14] Stafleu / Cowan: Taxonomic literature (wie Anm. 1), 8.

[15] Liste des Plantes Grasses. Cultivées dans les Jardins de M. le Comte de Salm à Dyck, Düsseldorf o.D. [1809?], Datierung nach: Venator & Hanstein (wie Anm. 4), Nr. 616. Weitere Sukkulenten-Verzeichnisse: Plantae succulentae horti Dyckensis, Düsseldorf 1816; Plantae succulentae in horti Dyckensis, Düsseldorf 1820; Index Plantarum succulentarum in horto Dyckensi cultae, Aachen 1822; Index plantarum succulentarum in horto dyckensi cultarum, Aachen 1829; Index plantarum succulentarum in horto dyckensi cultarum, Aachen 1834; Index plantarum succulentarum in horto dyckensi cultarum, Aachen 1843.

[16] Monographia generum Aloes et Mesembryanthemi, Bonn 1836–1863.

[17] Cacteae in horto Dyckensi cultae anno 1841 additis tribuum generumque characteribus emendatis, Düsseldorf / Bonn 1841; Cacteae in horto Dyckensi cultae anno 184[2], Düsseldorf 1842; Cacteae in horto Dyckensi cultae anno 1844 additis tribuum generumque characteribus emendatis, Paris 1845; Cacteae in horto Dyckensi cultae anno 1849, secundum tribus et genera digestae additis adnotatibus botanicis characteribusque specierum in enumeratione diagnostica cactearum doct. Pfeifferi non descriptarum, Bonn 1850.

[18] 1837 war das letzte grundlegende Werk zur Kakteensystematik erschienen, das der Autor dem Fürsten Joseph gewidmet hatte: Ludwig Georg Karl Pfeiffer: Enumeratio diagnostica cactearum hucusque cognitarum, Berlin 1837. Online: http://www.botanicus.org/page/1263222 (29.07.2013). Darin führt er 424 Kakteenarten auf. Kümmel: Salm-Reifferscheidt-Dyck (wie Anm. 7), 22, 30.

[19] Kümmel: Salm-Reifferscheidt-Dyck (wie Anm. 7), 26

[20] Kümmel: Salm-Reifferscheidt-Dyck (wie Anm. 7), 26.

[21] Karl Schumann: Gesamtbeschreibung der Kakteen, Neudamm 1899. Online: http://www.botanicus.org/page/1123923 (29.07.2013); Kümmel: Salm-Reifferscheidt-Dyck (wie Anm. 7), 28.

[22] Kümmel: Salm-Reifferscheidt-Dyck (wie Anm. 7), 30.

Empfohlene Zitierweise
Rita Hombach, Botaniker, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Botanik (Datum des letzten Besuchs).