Die Kindheit des Grafen
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Über die frühen Kindheitsjahre auf Schloss Dyck ist wenig bekannt. Wie Margit Sachse vermutet, wird es mit drei kleinen Kindern
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Nach dem Tod des Vaters konnte das Haus allein nicht mehr für eine standesgemäße Ausbildung sorgen. Daher schickte Regentin Maria Augusta ihre Kinder zum Schulbesuch nach Köln. Für die Stadt sprachen nicht nur ihr Status als Universitätsstadt, die traditionell engen Beziehungen des Grafenhauses zur Reichsstadt und der gute Ruf des dortigen Jesuitenkollegs, sondern auch die Nähe zu Dyck und der ebenfalls im Besitz der Familie befindlichen kurkölnischen Unterherrschaft Alfter.
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Ab 1780 verbrachte Joseph mit seinem jüngeren Bruder Franz und Hofmeister Johann Franz Bell fünf Jahre in Köln. Dort besuchten die Brüder zunächst das Xaverianum und später das Gymnasium Tricoronatum. Aus dieser Zeit stammen zwei Rechnungen, welche Joseph selbst aufgestellt hatte, um darin festzuhalten, wofür er sein Taschengeld ausgegeben hatte. Die erste Rechnung datiert aus dem Jahr 1784:
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Rechnung über die Außgab des von meiner theuresten Maman zum Present erhaltenen Geldes.
Rh | Stbr | Hllr | ||
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Den 1ten Januar 1784 empfangen 1 Carolin | 7 | 40 | ||
Den 14ten April noch eine Carolin | 7 | 40 | ||
Summa | 15 | 20 |
Außgab Geld.
Rh | Stbr | Hllr | |
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Bey Begleitung der Mamman in der | 50 | ||
Vor und nach 10 rothe Bleistift per Stück 1 ½ Stbr | 35 | ||
Für meinen Stock | 3 | 30 | |
Für das Stockband | 24 | ||
Für zwölf Kupferstich zum Nachzeichnen | 1 | 55 | |
Überhaubt an die Armen gegeben | 30 | ||
Ein Räthselbuch zum Zeitvertreib | 10 | ||
Für ein Sackmesser | 13 | ||
Summa aller Ausgab | 8 | 7 | |
Ubergeblieben | 7 | 40 |
Die Rechner in künftiger Rechnung zu berechnen hatt
Joseph Salm Dyck
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Diese Rechnung ist eines der wenigen Ego-Dokumente, die einen Einblick in die Kindheit Salm-Dycks jenseits der Kavalierstour geben. Der Zehnjährige hält darin gewissenhaft fest, wofür er das von seiner Mutter erhaltene Geld ausgegeben hat. Bemerkenswert ist dabei nicht nur die ordentliche, fast schon akribische, Ausführung, sondern auch die weite Spannbreite der notierten Ausgaben. Zum einen sind es Dinge, in die wohl auch heute noch ein Zehnjähriger sein Taschengeld investieren würde, wie zum Beispiel das Sack- bzw. Taschenmesser oder ein Rätselbuch. Zum anderen spiegelt die Aufstellung auch die zeitgenössische Praxis adliger Armenfürsorge wider, insbesondere nach dem Messbesuch Almosen an die Armen auszuteilen. In Begleitung seiner Mutter übernahm der junge Graf diese Tätigkeit offenbar bereits im Knabenalter.
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Die zweite Rechnung aus dem Jahr 1785 unterstreicht die weitgefächerten Ausgaben. Hier finden sich Lernmittel wie ein "Dixionarium", ein "lateinischesBuch", aber auch praktische Utensilien wie ein "Tintenfass". Joseph investierte sein Taschengeld ebenfalls in Süßigkeiten, wie zum Beispiel in Schokolade, "2 Pfund Pfeigen", "Haselnüsse" oder er gab es zu seiner Unterhaltung und Bildung aus, wie jene 14 Stüber "für die Thiere sehen zu gehen".
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Welchen Eindruck vermitteln diese beiden von ihm selbst ausgestellten Rechnungen vom jungen Grafen und Erben? Die Ausführung der Rechnungen lässt auf einen äußerst gewissenhaften, "ordentlichen" Jungen schließen. Außerdem mutet er aufgrund der Anschaffung des lateinischen Buchs oder auch des Wörterbuchs, wohlgemerkt außerhalb des Unterrichts, sehr wissbegierig und zielstrebig an – Eigenschaften, die ihm sicher auch mit Blick auf seine spätere wissenschaftliche Karriere zugutekamen. Unklar bleibt, ob er lediglich die Rechnungsführung des Hofmeisters nachahmte oder ob man ihn durch spielerisches Lernen auf seine späteren Herrschaftsaufgaben gezielt vorzubereiten versuchte. In gewisser Weise vergleichbar wäre dies mit den Reiseberichten zur Vertiefung seiner geographischen Kenntnisse, die er während der Kavalierstour aus Brüssel an seine Mutter schickte.
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Bis zu seinem elften Lebensjahr blieb Joseph zusammen mit seinem Bruder Franz in Köln. Im Sommer 1785 brachen die Brüder mit ihrem neuen Hofmeister Abbé Jacob zu ihrer Kavalierstour auf, die sie nach Brüssel, Paris und Wien führen sollte.
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Schläwe, Die Kindheit des Grafen, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Kindheit (Datum des letzten Besuchs).