Die Standeserhöhung zum preußischen Fürsten

Hans-Werner Langbrandtner

<1>

Die Familie zu Salm-Reifferscheidt mit ihren beiden Linien zu Bedburg und Dyck zählte im Ancien Régime zu den wenigen reichsunmittelbaren Adelsfamilien in den niederrheinischen Territorien. Im Vergleich zu den ebenfalls reichsunmittelbaren Grafen von Quadt-Wickrath oder den Grafen von Schaesberg führte die Familie zu Salm-Reifferscheidt einen besonderen Grafentitel: den Titel eines Altgrafen. Dem aus dem Ort Niedersalm in den Ardennen stammenden Niklas von Salm dem Älteren (1459–1530) [1] war kurz vor seinem Tod von Kaiser Karl V. der Grafentitel verliehen worden, und zwar als Auszeichnung für seinen Einsatz bei der Gefangennahme des französischen Königs Franz I. in der Schlacht bei Pavia (1525) und der erfolgreichen Verteidigung Wiens gegen die Türken (1529). Seinen Nachfahren im gesamten Salm'schen Geschlecht verlieh Kaiser Ferdinand II. am 28. Januar 1628 den besonderen, fürstengleichen Titel "Alter Graf zu Salm".

<2>

Gerade als in Frankreich die Titel und Vorrechte des Adels abgeschafft worden waren, erlangte Altgraf Sigismund aus der Bedburger Linie von Kaiser Leopold II. die persönliche Reichsfürstenwürde (Privileg vom 7. Oktober 1790), die aber nur an den Erstgeborenen vererbt werden durfte. Da dieser Familienzweig die linksrheinische Grafschaft Reifferscheid [2] mit dem Frieden von Lunéville endgültig verloren hatte, war er im Rahmen der Regensburger Reichstagsbeschlüsse 1803 mit dem Amt Krautheim und dem Kloster Gerlachsheim im säkularisierten Bistum Würzburg entschädigt worden. Sigismunds Sohn Franz Wilhelm gelang es, die reichsständischen Rechte auf den neuen Besitz in Süddeutschland übertragen zu lassen. Er begründete somit das Fürstentum Krautheim (Privileg Kaiser Franz II. vom 7. Januar 1804). [3] Die Bedburger Linie nannte sich seitdem Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Krautheim.

<3>

Die Dycker Linie der Altgrafen zu Salm-Reifferscheidt besaß zwar die reichsunmittelbare Grafschaft Dyck, doch die Besetzung Dycks durch die französischen Revolutionstruppen im Herbst 1794 bereitete allen Hoffnungen auf Erlangung der Reichsfürstenwürde zunächst ein abruptes Ende. Altgraf Joseph stellte sich im Gegensatz zur Mehrzahl seiner adligen Standesgenossen in den Rheinlanden der neuen politischen Konstellation, blieb in Dyck und suchte so seinen Besitz zu halten. In einem doppelten Spiel gelang ihm ein rechtlicher Balanceakt: Einerseits bestritt er gegenüber der französischen Militärverwaltung erfolgreich den reichsunmittelbaren Status Dycks (als in der Reichsmatrikel gelisteter Reichsstand hätte er im Verdacht gestanden, den Reichskrieg gegen das revolutionäre Frankreich mitfinanziert zu haben), um eine Enteignung zu verhindern, wie sie anderen Reichsständen – so den Grafen von Quadt-Wickrath oder den Grafen von Schaesberg – widerfuhr. Denn als bloßer Citoyen konnte er seinen umfangreichen Landbesitz, trotz entschädigungsloser Enteignung aller daran haftender Feudalrechte, behalten. Auf der anderen Seite erlangte er unter erheblichem juristischem Aufwand [4] auf dem Regensburger Reichstag für die verlorenen Hoheitsrechte der Grafschaft Dyck eine Entschädigung. Diese bestand aus einer hoch dotierten jährlichen Rente, gezogen aus dem Vermögen der säkularisierten Stifte der Reichsstadt Frankfurt. "Die Entschädigungen dieses Hauses gehören unter die besondern Züge in dem Charakter oder der Charakterlosigkeit des Entschädigungsgeschäftes. [...]. Dem Grafen ließ man sogar seine unmittelbare Reichsherrschaft Dyk im Kölnischen und entzog ihm nach der französischen Verfassung nur die Feudalrechte davon, für welche er durch die oben bemerkte Rente entschädigt wurde", so die zeitgenössische publizistische Kritik. [5]

<4>

Nach der Niederlage Napoleons, der Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck im Jahr 1809 die Würde eines Comte d'Empireverliehen hatte, stellte der während des Wiener Kongresses begründete Deutsche Bund die Rechte des ehemals reichsständischen Adels als sogenannte Standesherren unter der Souveränität seiner 35 Mitgliedstaaten wieder her (Artikel XIV der Bundesakte vom 8. Juni 1815). König Friedrich Wilhelm III. bestätigte kurz darauf diese standesherrlichen Rechte auch für Preußen. Mit Blick auf die ehemals französischen linksrheinischen Gebiete verfügte er jedoch: "In den durch den Frieden von Luneville vom 9. Februar 1801 von Deutschland abgetretenen und jetzt wieder damit vereinigten Provinzen werden bey Anwendung der obigen Grundsätze auf den ehemaligen unmittelbaren Reichsadel diejenigen Beschränkungen stattfinden, welche die dort bestehenden besondern Verhältnisse nothwendig machen. [...]." [6]

<5>

Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, der sich nun wieder Altgraf titulierte, ergriff nun erneut die Initiative. In engem brieflichen Kontakt zu Staatskanzler Hardenberg, mit direkten Eingaben an den König und mithilfe einer öffentlichen Denkschrift bemühte er sich intensiv um die Wiederanerkennung der reichsunmittelbaren Rechte Dycks und um den Zurückerhalt desjenigen Fürstentitels, der seinen Verwandten bereits 1790 von Kaiser Leopold II. verliehen worden war:

<6>

"Da aber Seine Majestät durch die Verordnung vom 21. Juny [1815] schon bewiesen haben, daß Allerhöchst Dieselben für gerecht halten, diesen rechtmäßigen Standpunkt wenigstens für diejenigen vormaligen Reichsstände, welche nun der preußischen Monarchie näher anzugehören das Glück haben, ungemein zu verbessern […]. Alle diese Gründe […] berechtigen ihn […] anzutragen, nämlich: Gleichstellung in Ansehung aller Rechts-Verhältnisse mit seinen ehemahls reichsständischen Agnaten des rechten Rheinufers […]."[7]

<7>

Lediglich eines dieser Ziele, das der Standeserhöhung, erreichte Joseph schon sehr bald. Am 21. Mai 1816 teilte ihm Hardenberg brieflich mit: "Es gereicht mir zum besonderen Vergnügen, Euer Durchlaucht und Liebden benachrichtigen zu können, daß Seine Majestät, der König, auf meinen Vortrag allergnädigst geruht haben, Ihnen die Fürstenwürde zu verleihen." Friedrich Wilhelm III. gestand ihm dann am 28. Mai 1816 "aus besonderer Königlichen Gnade" den preußischen Fürstenstand zu. [8] Die Anerkennung als Standesherr blieb ihm allerdings trotz aller Bemühungen verwehrt.
 

Anmerkungen

[1] Adolf Schinzl: Niclas I. Graf zu Salm, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 30, Leipzig 1890, 258ff.

[2] Burg Reifferscheid, Gemeinde Hellenthal, Kreis Euskirchen.

[3] Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 35/6 (Abschrift des Fürstendiploms); und Kart. 43/29 (beglaubigte Abschrift vom 22. Juli 1805). Vgl. auch Jakob Bremer: Die reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 202f.

[4] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 127f.

[5] Karl Ernst Adolf von Hoff: Das Teutsche Reich vor der französischen Revolution und nach dem Frieden zu Lüneville. Eine geographisch-statistische Parallele nebst Urkunden und einer Karte, Zweiter Theil, Gotha 1805, 240f.

[6] Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, [Berlin 1818], Anhang, Nr. 23, 143-155.

[7] Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 35/5: "Denkschrift über die Verhältnisse und Ansprüche der Altgrafen zu Salm-Reifferscheidt-Dyck [Druck 1815]". Vgl. auch Bremer: Herrschaft Dyck (wie Anm. 3), 193f.

[8] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 25 (Hardenberg); sowie Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 35/6 (Abschrift des Fürstendiploms).

Empfohlene Zitierweise
Hans-Werner Langbrandtner, Die Standeserhöhung zum preußischen Fürsten, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Standeserhöhung (Datum des letzten Besuchs).