Protektor der St. Sebastianus Schützenbruderschaft zu Bedburdyck

Florian Schönfuß

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Exakt am Tage von Napoleons Sturz durch die Alliierten (11. April 1814) ließ Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck folgende Anordnung auf dem Gebiet seiner ehemaligen Reichsherrschaft bekanntmachen:

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"Wir Joseph Alt und Reichsgraf zu Salm Dyck

Da wir gesonnen sind, der bis jetzt bestandenen St. Sebastianus Bruderschaft zu Bedbur [nahe Schloss Dyck, F.S.] ihre alten Glanz und Würden wiederzugeben; und bey Gelegenheit des zukünftigen sonntägigen Festes eine neue Schießruthe zu errichten, und solche durch ein feyerliches Vogelschießen einzuweihen, so haben wir beschlossen, und beschließen, was folgt.

1. Auf den 1ten Vogel einen Preiß von 20 Rtr. festzusetzen, in Zukunft aber einen nach Zeit und Umständen angemessenen Preis in Geld oder Dienstfreiheit [sic!] zu bestimmen.

2. Von allen meinen Halbwinnern und Pächtern, welche noch nicht zu der Bruderschaft gehören, zu verlangen, sich jetzt einschreiben zu lassen.

3. Alle örtliche Beamten und angesehenen Einwohner zu ersuchen, diesem Beispiel nachzueifern.

[…]

Der Alt und Reichsgraf von Salm Dyck, Obrist der Bruderschaft" [1]

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Nach gut zwei Jahrzehnten der französischen Herrschaft am Rhein nannte sich Salm-Dyck in diesem Schriftstück erstmalig wieder mit seinen alten Titeln und Prädikaten. Die im Rheinland zahlreichen Schützengilden waren unter den Franzosen verboten bzw. rein auf ihr Wirken innerhalb der Kirche beschränkt worden. Nun ordnete Salm-Dyck als ehemaliger Landesherr die Wiederbelebung dieser alten Institution an. [2] Unverzüglich ergriff er damit die Initiative und verdeutlichte seine Herrschaftsansprüche in einer Situation, in der die zukünftigen politisch-rechtlichen Verhältnisse, ja die territoriale Zugehörigkeit der Rheinlande überhaupt noch völlig offen waren.

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Auch in der reichsunmittelbaren Herrschaft Dyck hatte das Schützenwesen eine lange Tradition. Noch gegen Ende des Ancien Régime hatte die lokale Schützenbruderschaft für die Bewachung von Schloss Dyck, der Residenz ihres Landesherrn, Sorge getragen. [3] Seit Generationen waren die Reichsgrafen zu Salm-Reifferscheidt-Dyck als Protektoren und Mäzene der Schützenbruderschaft aufgetreten, hatten Uniformen, Standarten, Preisgelder, Prunkwaffen und natürlich jede Menge Freibier zu den Schützenfesten spendiert. [4] Bei festlichen Anlässen wie Taufen und Hochzeiten im Grafenhaus und auch bei Beerdigungen stellten die Schützen regelmäßig Ehrengarden und paradierten in prächtigen Uniformen vor dem Schloss. Die Schützen formten einen ganz wesentlichen Bestandteil der landesherrlichen Repräsentation der kleinen Reichsherrschaft – denn eine eigene stehende "Armee" hatte man sich nie leisten können. Graf August Eugen Bernhard war 1729 gar "Bruderkönig" der Schützen gewesen. [5] Doch nicht immer ging es bei den Festen und Aufmärschen ordnungsgemäß und zur Zufriedenheit der Obrigkeit zu. So zeugt eine Verordnung des Altgrafen Johann Franz Wilhelm, Josephs Vater, von allerhand Ausschweifungen der Schützen, die der Landesherr ganz im aufgeklärten Zeitgeist zu reglementieren suchte. [6]

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Josephs insofern traditionelles Engagement für die lokale Schützenbruderschaft ging harmonisch einher mit der Jagdleidenschaft des Altgrafen und späteren Fürsten. Die Schützen führten in aller Regel kurze, gezogene Büchsen, also Jagdwaffen, die sich in prächtigsten Ausführungen auch in der großen Dycker Waffensammlung fanden. [7] Das Schloss verfügte zudem über eine eigene Schießbahn, die jedoch eher der spielhaften Zerstreuung des Hausherrn und manchen Gastes als der tatsächlichen Übung von Schützen und Wächtern gedient haben dürfte. In preußischer Zeit hatten die Schützen längst keine Sicherheitsfunktion mehr.

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Der Adressatenkreis der oben zitierten Bekanntmachung wird genauso klar umrissen wie die Bindungen und Abhängigkeiten, die ihn letztlich konstituierten. Salm-Dyck nutzte das Schützenwesen, um sich insbesondere gegenüber seinen ehemaligen Untertanen als Herr und Patron zu inszenieren. Ganz sicher legte der mediatisierte Altgraf ebenfalls viel Wert auf eine entsprechende Wahrnehmung durch den preußischen König, der ihm zwar rein gnadenhalber einen Fürstentitel gewährt hatte, seinem innigen Wunsche nach der Anerkennung als Standesherr allerdings nicht willfahrte. Die Schützen mit ihren "herrschaftlich" reglementierten Uniformen, mit ihren das fürstliche Wappen zeigenden Standarten [8] formten unter seinem Protektorat ein markantes Symbol einstiger Wehrhoheit über das eigene Territorium, das zur Untermauerung entsprechender Ansprüche bestens geeignet war. [9] Berlin ließ das wiederaufgeblühte Schützenwesen im Rheinland im Übrigen unangetastet. Es sah in ihm keinerlei Gefahr oder Konkurrenz zur staatlich-monarchischen Wehrhoheit.

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Mit der Landwehr bot die preußische Heeresverfassung nicht nur dem Fürsten Joseph schon bald ein wesentlich interessanteres Repräsentations-, Vernetzungs-, und Selbsterfahrungsinstrument, das sich zudem personell weitgehend auf die gleichen lokalen Bindungen stützte. Trotz einer nach 1815 recht spärlichen Überlieferung scheint es, als habe Salm-Dycks Wirken in der St. Sebastianus Bruderschaft seine Selbstrepräsentation als wehrhafter "Herr und Patron" weiterhin mitgetragen.
 

Anmerkungen

[1] Bekanntmachung Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Schloss Dyck, 11. April 1814. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 44/2.

[2] Zum Schützenwesen in Mitteleuropa grundlegend: Hans-Thorald Michaelis: Schützengilden. Ursprung – Tradition – Entwicklung, München 1985.

[3] Margit Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten... Leben und Werk des Dycker Schlossherrn Joseph Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861), Pulheim 2005, 97.

[4] Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 3), 98.

[5] Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 3), 97.

[6] Neuverordnung des Altgrafen Johann Franz Wilhelm für die Bruderschaft St. Sebastian, Schloss Dyck, 4. Mai 1774. In: Archiv Schloss Dyck, Urkundenbestand – Urkunde vom 4. Mai 1774.

[7] Manfred von Ehrental: Die Waffensammlung des Fürsten Salm-Reifferscheidt zu Schloss Dyck, Mönchengladbach 1906.

[8] Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 3), 98.

[9] Vgl. dazu Heinz Gollwitzer: Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815–1918, Stuttgart 1957, 72ff.

Empfohlene Zitierweise
Florian Schönfuß, Protektor der St. Sebastianus Schützenbruderschaft zu Bedburdyck, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Schützenbruderschaft (Datum des letzten Besuchs).