Transkriptionen

Brief der jungen Grafen an ihre Mutter aus dem Kölner Konvikt, 6. Juli 1782.

 

Cöllen, den 6. Juli 1782

Wertheste Maman,

Tausend Thaler wollte ich drum geben, wenn ich mit dem Franz Sie in dem Augenblicke überfallen und nur zwo Stunden bey Ihnen seyn könte. Ob ich 1000 Thaler habe? Nein: Aber dies soll mich nicht aufhalten. Kutscher zugefahren, hurtig nacher Brüssel. Halt, jez steigen wir aus – wer klopft? Der Bedienter öfnet die Saalthüre, erschrickt und schreyt: „Die jungen Herren Grafen.“ Jez nähern wir uns der Maman, küssen ihr die Hände. „Monsieur Chévalier, nous avons l’honneur de vous saluer.“

Ach beste Maman, wie befindet sie sich noch? Wie ich sehe, so sieht sie noch, gottlob, gut auß. Erlauben Sie Maman, daß wir uns ein wenig neben Sie niedersezen, dan für Freude wollen die Füßen uns nicht mehr halten. Gelt Maman?,  wir sind gewachsen und sehen munter aus, wir alle sind auch so zufrieden, als es Menschen seyn können. 

Wir leben still und bekümmern uns fast mit niemand im Convict, wir thun artig und höflich gegen jeden, mischen uns in nichtß ein und dies macht, daß uns alle Convictoren lieben. Wir machen es just so, wie der Monsieur Bell mit den Jesuiten. Wir studieren fleissig und seind recht achtsam auf daß, waß Monsieur Bell uns sagt und vorliest, dan wir sind so schlim, und wissen, wenn wir so thuen, daß wir alleß von ihm haben können, waß wir wollen. À propos, die arme Meise ist blind worden und 3 Tage darauf crepirt. Aber Maman, wie die Zeit vergeht? Schon 6 Uhr auf meiner Uhr, bald geht man zur Tafel.

Bruder Franz, laß uns aufstehen und Maman die Hände küssen und ein Küßmündgen mit auf die Reise nehmen und ihr versicheren, daß wir ewig sein werden unser werthester Maman gehorsame Söhne und Kinder

Joseph Salm Dyck

Franz Salm Dyck.

Monsieur Chévalier à l’honneur de vous revoir.

Kutscher geschwind nach Cöllen ans Convict, à dieu. 

Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577, 153-155.

Vgl. Heinke Wunderlich, Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt (1780–1791). Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime, Heidelberg 1984, 224.

Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Schläwe, Transkription: Brief der jungen Grafen an ihre Mutter aus dem Kölner Konvikt, 6. Juli 1782, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Brief aus dem Konvikt, 1782 (Datum des letzten Besuchs).