Großgrundbesitzer
Florian Schönfuß
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Als Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck im Mai 1793 die Herrschaft in Dyck übernahm, gebot er über beachtlichen Grundbesitz. Allein die drei größten Besitzungen der Grafenfamilie, die Reichsherrschaft Dyck sowie die kurkölnischen Unterherrschaften Alfter und Hackenbroich, machten zusammen knapp 3.000 Morgen Land aus, an dem freilich noch die vollen Hoheits- und Feudalrechte bestanden. [1] Knapp anderthalb Jahre später eroberten die französischen Revolutionstruppen das linke Rheinufer. Obwohl sich Salm-Dyck gegen die Emigration entschieden hatte und mit den Franzosen ein auskömmliches Verhältnis unterhalten konnte, wurden sämtliche Besitzungen der Familie 1795 zunächst sequestriert.
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Nur mit Mühe gelang es Salm-Dyck, die französische Administration davon zu überzeugen, dass sein Haus, das zwar in der Tat reichsunmittelbar, doch nicht reichsständisch war, nicht zu den gegen das revolutionäre Frankreich kriegführenden Reichsständen gehörte. So gingen bis 1798 zwar sämtliche Feudal- und Herrschaftsrechte verloren. [2] Zudem hatte Salm-Dyck genau wie seine zum Teil ebenfalls nicht geflohenen rheinischen Standesgenossen immense Kriegskontributionen zu zahlen, Einquartierungen, Requisitionen und Plünderungen zu überstehen, was ihn zu Teilverkäufen und Kreditaufnahmen nötigte. [3] Doch konnte er seinen Grundbesitz als Privatier im Wesentlichen bewahren, sich nicht zuletzt durch die 1803 gewährten Frankfurter Entschädigungszahlungen für verlorene Rheinzölle entschulden [4] und dann über die französische Zeit hinweg sogar noch Arrondierungen durch Nationalgüterkäufe realisieren, wie zum Beispiel den Rückerwerb des säkularisierten St. Nikolaus Klosters.
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Salm-Dycks mannigfache Aktivitäten, Ämter und Aufgaben ließen allenfalls begrenzte Spielräume für eine Bewirtschaftung dieses umfangreichen Landbesitzes in Eigenregie. Traditionell, und typisch für die Nutzungsformen adligen Grundbesitzes im nördlichen Rheinland, wurde dieser verpachtet, wobei im Gegensatz zur in den südlichen Rheinlanden vorherrschenden Erbpacht kürzere, zumeist zwölfjährige Pachtvertragslaufzeiten die Regel waren. [5] Diese boten den Vorteil, den zumeist als Geldrente erhobenen Pachtzins regelmäßiger anpassen und unbequeme Pächter leichter durch botmäßigere ersetzen zu können. Auch auf den Salm-Dyckschen Ländereien scheinen entsprechende Pachtformen vorgeherrscht zu haben. [6] Die Aufsicht über die Pächter führten in erster Linie seine Rentmeister, die Salm-Dyck regelmäßig Bericht über Einnahmen und nötige Investitionen erstatteten und ihm Bittgesuche der Pächter um Zahlungsaufschübe et cetera kommentiert übermittelten.
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Dabei handelte es sich bei den verpachteten Parzellen bei weitem nicht nur um einfaches Acker- und Weideland. Insbesondere über die Rentei Alfter (es bestanden mit Dyck, Alfter, Hackenbroich und Hülchrath insgesamt vier Salm-Reifferscheidtsche Renteien) wurden auch Weinbergparzellen verpachtet. Hinzu kamen unter anderem Immobilien wie der Salm'sche Hof in Köln, [7] ein kleinerer Brauereibetrieb bei Oidtweiler, [8] das Weinhaus in Dyck [9] und nicht zuletzt der Alfterer Mineralbrunnen.
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Mit Blick auf die weitläufigen Besitzungen rund um Schloss Dyck, deren Renteiverwaltung in den Rechnungsbüchern des Dycker Archivs überliefert ist, lässt sich über die Zeit der französischen Herrschaft hinweg bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine hohe Kontinuität der ansässigen Pächterfamilien feststellen. [10] Zu Aufgaben von Pachthöfen scheint es nur selten gekommen zu sein. Vor dem Hintergrund einer äußerst schwankenden Agrarkonjunktur inklusive schwieriger Hungerjahre wie 1817, der Einhegung und Privatisierung immer größerer Teile der Allmendeflächen und den kriegsbedingten Lasten der napoleonischen Zeit spricht die hohe Besitzkontinuität der Pächterfamilien gegen eine übermäßige Belastung durch hohe Pachtzinsen. Dass diese innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Dycker Rentei noch zu guten Teilen in Naturalabgaben entrichtet wurden, mag mit dazu beigetragen haben. Darüber hinaus deutet dies auf Bestrebungen, die Privatresidenz Schloss Dyck möglichst mit dem Notwendigen selbst zu versorgen.
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Als ehemaliger Landesfürst und lokaler Großgrundbesitzer stand Salm-Dyck zu seinen Pächtern, bei denen es sich größtenteils um ehemalige Untertanen handelte, in einem patrimonialen Verhältnis. Verstärkt wurden entsprechende Bindungen noch durch sein lokales Engagement als Maire in der Endphase der französischen Herrschaft 1811–1814, durch sein Protektorat über die lokale Schützenbruderschaft und nicht zuletzt durch seine Position als Major und Kommandeur des örtlichen preußischen Landwehrbataillons. Fürsorge für seine Pächter und botanische Leidenschaft miteinander verbindend, regte Fürst Joseph bereits 1824 die Gründung einer Ackerbaugesellschaft nach französischem Vorbild an. 1852 rief er auf dem Gelände des nahen Nikolausklosters schließlich eine staatlich geförderte Landwirtschaftsschule ins Leben. Dennoch spricht wenig dafür, ein allzu väterlich-beschirmendes Auftreten Salm-Dycks gegenüber seinen Pächtern anzunehmen. So behielt er sich lange nach Abschaffung sämtlicher Feudalrechte noch die alleinige Jagd auf den verpachteten Grundstücken – eine gegebenenfalls spürbare Belastung für den Pächter – vor. Mittels entsprechender Klauseln in den Pachtverträgen übte er auch lange nach Abschaffung der Feudalrechte faktisch noch den Mühlzwang aus. [11] Selbst Hand- und Spanndienste gehörten zu den Leistungen, welche Pächter auf Salm-Dyckschen Ländereien offenbar noch in preußischer Zeit zu erbringen hatten. [12]
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Salm-Dyck steht in der Handhabung seines Grundbesitzes und dem Auftreten gegenüber seinen Pächtern damit keineswegs allein, sondern in vielerlei Hinsicht stellvertretend für etliche adlige Großgrundbesitzer seiner Zeit. Einmal mehr stechen dabei sein Bemühen um Repräsentation seines Herrschaftsanspruchs als ehemaliger Landesherr und seine Ambitionen auf die Position eines Standesherrn hervor. Dass Salm-Dyck die weiter von Dyck entfernt gelegenen Besitzparzellen in rein monetär vergütete Zeitpacht gab und seine Rentmeister hier offenbar weitgehend frei schalten und walten ließ, war sicherlich Kernbestandteil einer auf stabilen Ertrag und geringes Risiko ausgerichteten Rentenwirtschaft, die ihrem Profiteur genug Muße für andere Aktivitäten ließ.
Anmerkungen
[1] Jakob Bremer: Die Reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 189.
[2] Vgl. grundlegend zu den Einbußen des lokalen Adels durch die französische Besatzung Christoph Dipper: Der rheinische Adel zwischen Revolution und Restauration, in: Helmuth Feigl / Willibald Rosner (Hg.): Adel im Wandel, Wien 1991, 91-116; sowie Reinhold K. Weitz: Die preußische Rheinprovinz als Adelslandschaft, in: Rheinische Vierteljahresblätter 38 (1974), 333-353.
[3] Bremer: Herrschaft Dyck (wie Anm. 1), 190.
[4] Bremer: Herrschaft Dyck (wie Anm. 1), 191.
[5] Weitz: Rheinprovinz als Adelslandschaft (wie Anm. 2), 343.
[6] Vgl. dazu inter alia Pachtvertrag zwischen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck und Jakob Joisten, Schloss Dyck, 1. März 1818 [einregistriert zu Bonn am 12. März 1818], §1. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 5/118. Bei dem Vertragspapier handelt es sich um einen ausgefüllten Vordruck, was auf etliche weitere Kontrakte zu diesen Konditionen schließen lässt.
[7] Zur Verpachtung des Salm'schen Hofs, der offenbar auch nach 1794/95 im Besitz Salm-Dycks verblieb, vgl. G. von Sande an Rentmeister Caspar Fonson, Köln, 11. März 1819. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 31/8.
[8] Vgl. Henrich Joissen an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Oidtweiler, 29. März 1806. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 5/118.
[9] Zum speziellen Charakter der Dycker Weinhauspacht vgl. auch Margit Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten... Leben und Werk des Dycker Schlossherrn Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861), Pulheim 2005, 39f.
[10] In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbücher, 1811ff.
[11] Vgl. dazu Pachtvertrag zwischen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck und Jakob Joisten, Schloss Dyck, 1. März 1818 [einregistriert zu Bonn am 12. März 1818], §8, §10. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 5/118.
[12] Pachtvertrag zwischen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck und Jakob Joisten, Schloss Dyck, 1. März 1818 [einregistriert zu Bonn am 12. März 1818], §11. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 5/118.
Empfohlene Zitierweise
Florian Schönfuß, Großgrundbesitzer, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Großgrundbesitzer (Datum des letzten Besuchs).