Der junge Graf als Reiseliterat auf Kavalierstour

Elisabeth Schläwe

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Im Juni des Jahres 1786 erreichte Augusta Maria von Truchsess-Zeil-Wurzach, Mutter des späteren Fürsten Joseph, ein Brief ihres zwölfjährigen Sohnes, abgesendet vom Kap der Guten Hoffnung. Darin berichtet dieser:

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"Ma tres chere Maman,
je partis il y a quelques jours de Maroc d'ou en traversant le long et affreux desert de Sahara j'arivai en Guinée, dont je vais vous donner la description et une carte. Lorsque j'eus traversé le desert de Sahara j'arivai dans la sterile province du Senegal, qui a pris son nom du fleuve, qui l'arose. Mais quelle fut ma joie, lorsque conoiderant les tristes et steriles rives du Senegal on vint m'aporter une lettre de ma tres-chere tante, qui me marque qu'elle a été parfaitement contante de nos dessins et que vous viendrez en peu a Bruxelles. Ainsi ma tres chere Maman je ne pourai vous donner un long detail de ce voyage, car un vaissau va partir a l'instant et il faut que je m'y embarqué, pour pouvoir vous voir a Bruxelles. […]"
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Im weiteren Verlauf beschreibt der junge Graf seine Reise durch Afrika bis hinunter zum Kap der Guten Hoffnung und geht dabei auf geographische Besonderheiten ebenso ein wie auf die Bewohner des Kontinents. Anbei fügt er eine kolorierte Karte Afrikas, damit seine Mutter die Reiseroute nachvollziehen kann. Er schließt mit einer Bemerkung über "la chaleur de climat", welche für einen Europäer nur schwer zu ertragen sei. [2]

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Dieser Brief Josephs mutet aufgrund seines Ausstellungsortes zunächst merkwürdig an, wenn man ihn zwischen den insgesamt gut 140 Briefen der beiden jungen Grafen aus der Zeit ihrer Kavalierstour entdeckt. [3] Jedoch gibt er keine Auskunft über die Reiseroute der Kavaliere – denn diese war an den klassischen Orten orientiert. Er informiert vielmehr über den Fächerkanon der Tour und die angewandten Lernmethoden. Der erste Brief dieser Art vom 28. April 1786 schildert, dass der Hofmeister Abbé Jacob Joseph vorgeschlagen habe: "[…] de vous faire le detail de tout ce qu'il y a de remarquable dans le monde [...]." [4] An dieser Stelle erhascht man bereits einen ersten Blick auf den späteren Wissenschaftler und Botaniker Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Denn neben geographischen Besonderheiten erwähnt er in seinen Briefen auch immer wieder die Fauna und vor allem die Flora der verschiedenen Länder.

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Von den 20 Briefen, die Joseph in regelmäßigen Abständen während der Kavalierstour an seine Mutter schrieb, ist knapp die Hälfte im Stil einer Reisebeschreibung verfasst. Auch von seinem Bruder Franz sind solche Berichte erhalten, jedoch weniger ausführlich und in geringerer Anzahl. Dies mag zum einen den zwei Jahren Altersunterschied geschuldet sein, zum anderen aber auch auf mangelndem Interesse beruhen. Seinen letzten Reisebericht schrieb Joseph am 10. Februar 1787. Danach fehlte ihm die Zeit, sich weiterhin mit Geographie beschäftigen zu können. Seinen Unmut darüber brachte er am 16. März 1787 zum Ausdruck, als er an seine Mutter auf Schloss Dyck schrieb: "[...] je suis trés faché de ne plus pouvoir vous donner la continuation de mon voyage […]. L'heure qui etoit destinee à la geographie est maintenant consacrée à la harpe." [5] Musikunterricht stieß bei ihm offenbar auf ein geringeres Interesse als Geographie.

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Die übrigen Briefe aus der Brüsseler Zeit sind weitaus weniger ausführlich, geben aber neben den standardisierten Bemerkungen über das Befinden der jungen Grafen und das Wetter auch Auskunft über die Bekanntschaften, die man auf der Kavalierstour machte, – so zum Beispiel über die "Klassenkameraden" im Collège royal. Auf einer Ferienreise im Sommer 1786, die unter anderem nach Spa, Stavelot, Chaudefontaine und Lüttich führte, ergab sich der Kontakt zu zwei jungen "Barons de Stockhem de Liège". Als diese nach den Ferien im Collège eintrafen, lud deren Vater die Dycker Reisegesellschaft zum Souper und in die Comédie ein. [6] Hier wird ein ganz zentraler Aspekt der Reise deutlich: das Knüpfen von Kontakten, um adlige Netzwerke zu bilden bzw. auszuweiten.

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Im Juli 1787 endete der Aufenthalt in Brüssel, nachdem Abbé Jacob bereits im Frühjahr einen Wechsel des Studienortes vorgeschlagen hatte. Ende August brach man von Dyck nach Paris auf. [7] Von dort erreichten die Mutter keine fiktiven Reiseberichte mehr. Die Ursache dafür ist simpel: Geographie wurde nicht mehr derartig intensiv behandelt, wie es in Brüssel der Fall gewesen war. Dennoch findet sich ein Brief Josephs vom 11. März 1788, in dem er seiner Mutter eine Abschrift der Eindrücke von Köln des Barons von Riesbeck zukommen lässt. [8] Gestützt auf seine eigenen Kenntnisse der Stadt erlaubte sich der nunmehr erfahrene Reiseliterat in diesem Fall, im Gegensatz zu den Brüsseler Reiseberichten, seine Meinung zu äußern. Der 14-Jährige urteilte: "Il a un peu exagéré, mais du reste, il y a du vrai." [9]

Anmerkungen

[1] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Kap der Guten Hoffnung [Brüssel], 1. Juni 1786. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577,363-368, hier:363.

[2] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Kap der Guten Hoffnung [Brüssel], 1. Juni 1786. In: Archiv Schloss Dyck,  Blaue Bände – Band 577, 363-368, hier: 368.

[3] Ausführlich mit den Studienreisen und den in dieser Zeit entstandenen Briefen beschäftigt sich Heinke Wunderlich: Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt (1780–1791). Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime, Heidelberg 1984.

[4] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Brüssel, 28. April 1786. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577, 351-354, hier: 351.

[5] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Brüssel, 16. März 1787. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577, 457-458, hier: 457.

[6] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Brüssel, 20. Oktober 1786. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577, 419-421, hier: 420. Zur Familie de Stockem siehe Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 3), 340.

[7] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 3), 90-92.

[8] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Paris, 11. März 1788. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue BändeBand 577, 589-591. Vgl. auch Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 3), 108f.

[9] Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck an Altgräfin Augusta Maria, Paris, 11. März 1788. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände Band 577, 589-591, hier: 591.

Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Schläwe, Der junge Graf als Reiseliterat auf Kavalierstour, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Kavalierstour (Datum des letzten Besuchs).