Transkriptionen

Notus in Israel – Freimaurerbrief [?], 26. April 1814.

Durchlauchtig, hochgebohrner Reichsfürst! 

Eurer hochfürstlichen Gnaden gnädiges Schreiben vom 23. dieses [Monats] habe ich gestern den 25ten erhalten und das beygefügte Gedruckte auch.

Ich habe mich über den Gegenstand schon ziemlich deutlich und teutsch ausgesprochen und bin den Matadors hier oben nie ein willkommener Gast gewesen, weil ich nie den Mantel nach dem Wind drehe, besonders da der Wind aus Frankreich kam.

Je mehr an den hochgebiethenden Herren im Hauptquartier getrieben wird, je eher kömmt die Sache in Bewegung. Ich sammle und sammelte alle data hier Orts und mahle den Statum rerum badium [?] al fresco hin; wahrhaften Haubitzgranaten gleichen meine Expeditionen – ob man aber das wohl gerne haben mag – ja nun; zu dem schweigen, was vorgeht, wäre Hochverrath an Teutschland.

Minister von Reizenstein ist der größte Antagonist der Standesherren und von ihm der Zeitungsartikel. Die übrigen Minister - besonders Marschall - machen Chorus. Nichts ist aber durch die Bank noch dato französisch gesinnter und gegen alles, was teutsch ist, als das badische Militär und besonders die Umgebungen des Großherzogs. Ich nehme den einzigen General Neuenstein, und den – durch seine Heurath geschlagenen General Lingg aus. Alle andere sind in der Regel französisch.

Zur nämlichen Zeit, da der Großherzog nach Frankfurt mit aller Mühe persuadirt worden ist, schikte er heimlich den Capitaine unter der Grenadier-Garde namens St. Ange (schon lange her ein Spion der französischen Mission) nach Mainz, um den Schritt zu entschuldigen und um Verhaltungsbefehle zu bitten. Dieser St. Ange ist ein dummer, läppischer Mensch, aber ein Kriecher, Heuchler, zudringlich, impertinent und wird überall seinen Weg machen, wo Schufte aus einem Schritte, den sie thun, eine 7-Meilen-Stiefel-Reise herauslügen. So nannte ihn die badische Zeitung lezthin unter den ausgezeichneten Offizieren, weil der Commandant Beust weiss, daß dieser Franzos wohl gelitten ist bey der herrschenden französischen Parthei. Kurz, das ganze badische Militär ist höchst unteutsch, aber wie kan es anders seyn, denn

1. regis ad exemplum.

2. sind es meistens hergelloffenen avanteriers, die jetzt Barons, Grafen, Kammerherren etc. sind und ihren Adel theils selbst fabriziert haben, theils aus der Schreibstube als Scribenten das Wappen entstehen sahen – nicht als Gelehrte und Studierte – nein – als Skribenten, die ihr Glück durch den hintern Theil des menschlichen Körpers gemacht haben. Was wissen diese Leute von hohem und niederm Adel?

Stist [?] hier ein Freyherr, dessen Vater erst Diurnist, dann Skribent war. Ein Gesandter mit Kammerherrenschlüssel, dessen Grosvater Bedienter war. Generale und Staabsoffiziere, die mit dem Bündel auf dem Rücken hier angekommen sind – alle krochen durch den französischen Kanal oder durch eine Gefälligkeit à toute épreuve auf das Ross und peinigen die Untergebenen und das Land – zu dem sie, das zu ehren kein Herz haben kan. Andere Mächte aber wissen dies nicht und helfen die noch decoriren, die vorher stäts und noch gegen sie agiren, so viel sie können, während der redliche Teutsche zurückgesetzt, nur noch froh seyn muss, wenn man ihm seine Existenz lässt. So geht es in und ausser Baden zu, und in unsern Zeiten ist es bewährt, je miserabler der Schuft, je mehr wird er geehrt und wenn 1000 Redliche ihn verachten, so decoriren ihn dennoch die Hohen.

Flüstert ein Teutschfranzos, der jetzt plötzlich den französischen Kittel abgeworfen hat und den teutschen Schein angenommen, so applaudiren ihm die Grossen – und schreyt der treugebliebene teutsche Mann – so hört man ihn kaum. So ist es; allein ich thue mein Möglichstes nur darum, weil ich fühle, daß es Recht ist; denn die, welche als Wikelkindeleins der Wachtparade nachgetragen worden sind und welche das ABC solmusirten, als ich schon diente, haben ihren Weg gemacht und ich nach 21 Dienstjahren existire prekair und bin subaltern; zwar pro momento nicht, aber werde es wieder werden.

Haben Euer Hochfürstliche Gnaden die Güte mich von dem weiteren Erfolge etc. unterrichten lassen zu wollen, so werde ich wie der alte Kato mit seinem ceterum puto etc. die bewusste Seite tangiren, so oft ich kan. Bis wir unter teutschen Herren stehen und das teutsche Wams tragen, ist noch nichts gewonnen.

Mich zu Gnaden gehorsamst empfehlend und in tiefester Ehrfurcht geharrend 

Notus in Israel 

am 26. April 14 

Ich kenne genau die Karakters der hiesigen Leute; die2 Hohnenbergs spielen 2deutige Rollen und äusserst wenigen darf man trauen. Der Kreisdirektor in Wertheim aber ist in seiner Lage gegen die hohen Standesherren sehr unglücklich. Er ist sehr brav, aber muss folgen.
 

Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 8/117.

Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Schläwe, Transkription: Notus in Israel – Freimaurerbrief [?], 26. April 1814, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Freimaurerbrief, 1814 (Datum des letzten Besuchs).