Einstellung zu den sakralen Monumenten seiner Vorfahren

Monika Gussone

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Eine besondere Beziehung der (Alt-)Grafen zu Salm-Reifferscheidt(-Dyck) bestand über die Jahrhunderte zu den sakralen Bauwerken, die durch Familienmitglieder gestiftet worden waren, vor allem zum Nikolauskloster, das Johann zu Reifferscheidt und Dyck um 1400 gegründet hatte, [1] und zur Michaelskapelle, die Altgraf Ernst Salentin (1621–1684) 1680 bei Schloss Dyck hatte errichten lassen. [2] Beide Bauwerke und die ebenfalls von Ernst Salentin gestifteten "Sieben Fußfälle" (steinerne Kreuzstationen, an denen für Kranke und Sterbende gebetet wurde) spielten auch im kirchlichen Leben der umliegenden Gemeinden als Ziel oder Station von Prozessionen eine wichtige Rolle. [3] Und eine weitere Aufgabe erfüllte die Michaelskapelle im profanen Bereich. Zahlreiche Kredite wurden aus ihrem Vermögen vergeben, das aufgrund von Stiftungen und einer Verfügung Ernst Salentins nicht unbeträchtlich war: Innerhalb der Herrschaft Dyck wurden nur Testamente, welche auch die Michaelskapelle bedachten, als gültig angesehen. [4] Die Funktionen der Kapelle übernahm nach ihrem Abbruch zum Teil die Dycker Schlosskapelle, der auch ihre Einkünfte übertragen wurden. [5]

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Einer Fortsetzung der Familientradition scheint sich Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in diesem Punkt nicht verpflichtet gefühlt zu haben. Eindeutig erkennbar ist dies am Umgang mit der Michaelskapelle und den Sieben Fußfällen, die er vermutlich bei der Neugestaltung des Parks als optisch störend empfand. Die Kapelle ließ er wohl bereits 1795 oder 1796, spätestens aber Anfang 1800 abbrechen, als er deren Schutt und Hausteine unter anderem für den Bau von Wegen in seinen Gartenanlagen verwenden ließ. [6] 1795 hatte Joseph gegen den Willen des Bedburdycker Pfarrers den Abriss beim Kölner Generalvikariat wegen vorgeblicher Einsturzgefahr beantragt, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er die Genehmigung erhalten hat. [7] 1802 wurden auch die Sieben Fußfälle entfernt, aber offenbar durch Linden mit angehefteten Kreuzen ersetzt. [8] An der Stelle der Michaelskapelle ließ Josephs zweite Ehefrau Constance im Jahr 1809 das heute noch vorhandene Steinkreuz mit Stifterinschrift errichten: Constantia comitissa in Salm-Dyck hanc crucem posuit anno MDCCCIX. [9]

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Im Fall des Nikolausklosters, das 1802 aufgehoben wurde, scheint sich Josephs Einstellung im Verlauf seines Lebens gewandelt zu haben. Der Kauf des Klosters 1806 zusammen mit seinem umfangreichen Grundbesitz [10] stellte zunächst eine Art Sicherung des Familienbesitzes dar, zu dem es gerechnet wurde, da es als Stiftung der Salm-Reifferscheidt(-Dyck) niemals völlige Unabhängigkeit hatte erlangen können. Zum anderen lagen in der Klosterkirche die meisten Vorfahren Fürst Josephs begraben, der Ort war für die Aufrechterhaltung der Familienmemoria daher unverzichtbar. Doch scheint Joseph sich erst in späteren Jahren intensiver mit der Frage der Weiternutzung der Kirche und der Familiengruft auseinandergesetzt zu haben. Die Grablege in der nicht genutzten Kirche wurde zwischenzeitlich aber weiterverwendet: Die 1820 ermordete Minette de Francq und ihr 1835 verstorbener Sohn Constant [11] sowie 1844 der circa zehn Monate alte Sohn von Félix und Charlotte de Francq [12] wurden in der Familiengruft beigesetzt.

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Vielleicht veranlasst durch den Tod seiner Frau Constance 1845, entschloss sich Fürst Joseph zur Instandsetzung und Neueinrichtung der Nikolauskirche, jedoch unter der Voraussetzung, dass der Klosterbesitz von der Pfarrei Glehn, in die dieser 1804 im Zuge der kirchlichen Neuorganisation während der französischen Zeit eingegliedert worden war, in die Pfarrei Bedburdyck, der auch Schloss Dyck angehörte, umgepfarrt würde. Er befürchtete Konflikte bei der Geleitung der Verstorbenen zur Familiengruft, wenn Schloss und ehemalige Klosterkirche unterschiedlichen Pfarreien zugeordnet blieben. In seinem Antrag vom April 1846 betonte Joseph auch, dass die damit verbundene Angleichung der Pfarrgrenzen an die Grenzen der Zivilgemeinde allgemein vorteilhaft sei. Die Pfarrei Glehn verweigerte jedoch ihre Zustimmung. [13]

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1858 schienen sich die Wiederherstellungsarbeiten ihrem Abschluss zu nähern. Fürst Joseph, der sie in Angriff genommen hatte, obwohl die Frage der Pfarrzugehörigkeit nicht abschließend geklärt war, bemühte sich daher erneut um die Umpfarrung – nun allerdings nur des engeren Klosterareals – und erreichte sie am 10. Juli dieses Jahres. [14] Bereits im Oktober 1853 war ein Kostenvoranschlag für eine neue Gruft und einen neuen Bodenbelag in der Klosterkirche erstellt und kurz darauf mit den Arbeiten begonnen worden. [15] Aus den folgenden Jahren liegen verschiedene Kostenanschläge und Entwürfe für die neue Kirchenausstattung vor: unter anderem für Chorgestühl, Hochaltar mit zwei Stufen und Tabernakel mit Kruzifix, Kommunionbänke und Seitentüren, Wandverkleidung, Fensterverglasung und Dekorationsmalerei. [16]

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Der Hochaltar wurde schließlich Ende 1859 aufgestellt, nachdem sich die Arbeiten immer wieder verzögert hatten, [17] und am 9. August 1860 konnte die Kirche eingesegnet werden. Eine neue Weihe war laut Auskunft des Kölner Generalvikariats nicht erforderlich. [18] Die jahrhundertelang genutzte Familiengruft war vermutlich 1853 verschlossen, die neue Gruft, die den größten Teil des Kirchenschiffs unterkellerte, im Winter 1853/54 angelegt worden. [19] In ihr wurde Fürst Joseph 1861 als erster beigesetzt.
 

Anmerkungen

[1] Zum Nikolauskloster vgl. Georg Allmang: Geschichte des ehemaligen Regulartertiarierklosters St. Nikolaus (bei Schloß Dyck, Kreis Grevenbroich, Rhld.) von seiner Gründung bis zur Jetztzeit, 1400–1911, Essen-Ruhr 1911; und Manfred Groten: Jüchen-Bedburdyck – St. Nikolaus, in: ders. u.a. (Hg.): Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815, Teil 2: Düsseldorf bis Kleve (= Studien zur Kölner Kirchengeschichte 37/2), Siegburg 2012, 523-529.

[2] Informationen und Verfügungen Ernst Salentins betr. die Michaelskapelle mit zwei Testamentsauszügen von Stiftungen für die Kapelle [1682]. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 234, 235-237, hier: 235.

[3] Verzeichnis der Stiftungen Ernst Salentins, o.D. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 583, f. 87r; Allmang: St. Nikolaus (wie Anm. 1), 110f.

[4] Auflistung, welche Einkünfte der Michaelskapelle zwischen 1767 und 1788 testamentarisch vermacht worden sind. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 240, 23f.; Informationen und Verfügungen Ernst Salentins betr. die Michaelskapelle mit 2 Testamentsauszügen von Stiftungen für die Kapelle [1682]: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 234, 235-237, hier: 236.

[5] Undatierter anonymer Brief an Altgraf Joseph [1795]. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 507, 245f.; und "Tagebuch" der Ausgaben 1800 bis Januar 1801. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 506, f. 182-222, hier: f. 188v-191v, 193r; Jakob Bremer: Die reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen, jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 528f.

[6] "Tagebuch" der Ausgaben 1800 bis Januar 1801. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 506, f. 188v-191v, 193r.

[7] Antwort des Bedburdycker Pfarrers Aretz auf Fragen des Landrats zur Michaelskapelle und Neuenhovener Kapelle, Bedburdyck, 14. März 1820. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 234, 229-231, hier: 231; und anonymer Brief an Altgraf Joseph [1795]. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 507, 245f.

[8] Ausgaben für Maurer und Pliesterer 1801/02. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 511, 39; Bremer: Herrschaft Dyck (wie Anm. 5), 531f.

[9] Die Karte der Herrschaft Dyck aus dem Jahr 1776 zeigt die Michaelskapelle an dieser Stelle. In: Archiv Schloss Dyck, Kartenbestand, Nr. 129. Auch auf der Tranchotkarte, Blatt Glehn, sind die Umrisse der Kapelle, dort, wo jetzt das Steinkreuz steht, noch erkennbar. Vgl. auch Bremer: Herrschaft Dyck (wie Anm. 5), 197, 532.

[10] Gebäude und Ländereien waren nach der Auflösung des Klosters dem französischen Nationalvermögen zugeschlagen, der Ehrenlegion übergeben und danach mehrfach weiterverkauft worden. Die letzten Besitzer vor dem Verkauf an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck waren wohl die Armeelieferanten Guyot, Elie und Tissen. Vgl. Wolfgang Schieder (Hg.): Säkularisation und Mediatisierung in den vier rheinischen Departements 1803–1813. Edition des Datenmaterials der zu veräußernden Nationalgüter (= Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte 5), Teil V.2, Boppard a. R. 1991, Nr. 22700, 1092; Allmang: St. Nikolaus (wie Anm. 1), 117f.

[11] Constant de Francq, Enkel der Constance de Salm, war am 9. März in Aachen verstorben und wurde am 12. März in St. Nikolaus beigesetzt: Constance Trostorff an Ludovica von Pröpper, Aachen, 10. März 1835. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 14/105; sowie Pfarrarchiv Bedburdyck. Verzeichnis der Verstorbenen, Taufen und Hochzeiten der Pfarrei seit 1804, hier: Verstorbene, 54.

[12] Pfarrarchiv Bedburdyck. Verzeichnis der Verstorbenen, Taufen und Hochzeiten der Pfarrei seit 1804, hier: Verstorbene, 70.

[13] Pro Memoria die Umpfarrung des Klosters St. Nicolas von Glehn nach Bedbur-Dyck betreffend, Schloss Dyck, April 1846 (Entwurf). In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 1r-3v, hier: 1r-2v; Entwurf eines diesbezüglichen Schreibens, Schloss Dyck, April 1846. In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 5r-v; Erzbischof von Köln, Johannes von Geissel, an Fürst Joseph, Köln, 26. November 1846. In:  Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 13r-v. Im Mittelalter hatte St. Nikolaus zunächst auch zur Pfarrei Glehn gehört, aber 1434 bzw. 1468 Unabhängigkeit erlangen können. Vgl. Groten: St. Nikolaus (wie Anm. 1), 524; Allmang: St. Nikolaus (wie Anm. 1), 20, 27f., 119.

[14] Korrespondenz und Stellungnahmen 1846 bis 1858 sowie Urkunde über die Umpfarrung, Köln, 10. Juli 1858. In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 6r-35v. Vgl. Allmang: St. Nikolaus (wie Anm. 1), 228.

[15] In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 37r-54v.

[16] Korrespondenz, Entwürfe und Kostenvoranschläge. In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 59r-128. Es liegen Entwürfe für das Fußbodenmuster (f. 49f.), die Kirchenbänke (f. 126 und 129), Wandmalerei und Wandvertäfelung (f. 127f.), die Orgelbühne (f. 147) und die Wendeltreppe (f. 161f.) vor.

[17] Brief des Kölner Bildhauers C. Stephan an Rentmeister Hannen, Köln, 21. November 1859. In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 122.

[18] Schreiben des Landdechanten, Wanlo, 21. Juni 1860, mit Notiz Rentmeister Hannens, Dyck, 9. August 1869. In: Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 140r-v.

[19] Archiv Schloss Dyck, Kartenbestand, Nr. 62 (undatiert): "Entwurf zu einer Gruft in der Kirche des ehemaligen St. Nikolausklosters für die hochfürstliche Familie Salm-Reifferscheidt-Dyck"; und Archiv Schloss Dyck, Rechnungsbestand, Nr. 415, f. 37r-v, 52r-54v. Allmang: St. Nikolaus (wie Anm. 1), 121, nennt das Jahr 1859 für den Verschluss der alten und die Anlage der neuen Gruft.

Empfohlene Zitierweise
Monika Gussone, Einstellung zu den sakralen Monumenten seiner Vorfahren, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Monumente (Datum des letzten Besuchs).