Taufe in der Familie

Monika Gussone

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Das erste bedeutende Ereignis im Leben jedes Familienmitglieds der (Alt-)Grafen zu Salm-Reifferscheidt(-Dyck) wie der meisten Menschen des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa war die Taufe, durch die man in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wurde. Die Taufe war die Voraussetzung für den Empfang aller weiteren Sakramente und für ein christliches Begräbnis. [1] Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit gerade im ersten Lebensjahr wurde sie deshalb meist nicht lange aufgeschoben. Kranke und schwächliche Kinder wurden am Tag der Geburt oder wenige Tage später getauft. Es konnten aber auch mehrere Wochen vergehen, die man dazu nutzte, die Tauffeier vorzubereiten und potenzielle Paten anzusprechen, wenn dies nicht bereits geschehen war.

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Die Bitte um Übernahme einer Patenschaft wurde in der Regel als Auszeichnung empfunden, wie es das Antwortschreiben des Grafen Ernst von der Mark von 1621 an Ernst Friedrich zu Salm-Reifferscheidt nahelegt, der sich darüber freute, dass "bey ihren erwunschten Wolstandt und Prosperitet ihres Hauß meine Person in keinen Vergeß gestellt". [2] Eine Patenschaft konnte daher nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe abgelehnt werden. Nicht nur zwecks Festigung der eigenen Beziehungen, sondern auch um den Kindern schon früh für ihr späteres Leben nützliche Kontakte zu verschaffen, wandte man sich vorzugsweise an bedeutende Persönlichkeiten. Im Falle der Altgrafen zu Salm-Reifferscheidt(-Dyck) waren zahlreiche Erzbischöfe darunter, auch ein Herzog von Sachsen bzw. von Bayern, vor allem aber Verwandte aus den väterlichen und mütterlichen Familien, die teils hohe Positionen in verschiedenen (hoch-)adligen Stiften wie Essen, Elten, Vreden und Thorn, St. Ursula und St. Gereon in Köln oder den Domstiften Köln und Straßburg bekleideten. Gerade geistliche Personen schienen für die religiöse Begleitung der Kinder geeignet zu sein.

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Oft wurden, wie allgemein üblich, zwei Paten bestimmt, nicht selten aber – ein Vorrecht des Adels – auch drei oder vier. [3] Die Mehrzahl der Täuflinge dieser Familie erhielt bei der Taufe den Namen eines Paten oder einen aus den Namen mehrerer Paten zusammengesetzten Vornamen. Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck wurde vollständig auf die Namen Joseph Franziskus Maria Anton Hubert Ignatius getauft. Sein Pate und später auch Pate seines Bruders Franz war Joseph Franz Anton Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach und Friedberg (1748–1813), Propst im Kölner und Küster im Straßburger Domstift sowie Dekan von St. Gereon in Köln, der nach dem Tod von Josephs Vater auch Vormund für ihn und seine Geschwister wurde. Patin war Josepha zu Salm-Reifferscheidt-Bedburg (1731–1796), Kanonisse und spätere Äbtissin in Elten und Vreden sowie Dechantin in Essen. [4]

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Oft waren die Paten durch Pflichten und unsichere Kriegsverhältnisse verhindert oder lebten zu weit entfernt, als dass sie ihre Aufgabe, das Kind persönlich zur Taufzeremonie zu bringen, hätten erfüllen zu können. [5] Entweder sie selbst oder die Eltern wählten in solchen Fällen einen dem Paten würdigen Stellvertreter. Dass die verhinderten Paten in der Tat auf angemessene Vertretung achteten, zeigt ein Brief Herzog Albrechts von Bayern, in dem er unter anderem seiner Zufriedenheit mit der Wahl der Taufvertreter für sich und seine Frau Mechthild Ausdruck verleiht. [6] Es war üblich, dass die Paten zur Geburt und Taufe Geschenke gaben: Herzog Albrecht von Bayern erwähnte in seinem Brief ein nicht näher beschriebenes Kindbettgeschenk ("Kündtpettschankhung"), das er der Mutter des Täuflings Ferdinand Albrecht (1628–1652) über seinen Bruder, den Erzbischof von Köln, zukommen lassen wollte. Aber auch im weiteren Verlauf des Lebens beschenkten die Paten ihre Patenkinder oder bedachten sie in ihrem Testament: So wie Maria Ursula zu Salm-Reifferscheidt (†1649), die ihrem Patensohn und Enkel Wilhelm Heinrich (1647–1651) 1.000 oberländische Gulden Frankfurter Währung vermachte – die gleiche Summe, die sie für ihre Jahrgedächtnisse dem Kloster St. Nikolaus stiftete. [7]

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Das Taufrecht für die Bewohner Schloss Dycks lag beim Pfarrer von Bedburdyck, so dass die Täuflinge normalerweise in die circa 4,5 km entfernte Kirche St. Martin gebracht werden mussten, wie es für August Eugen Bernhard 1706 und seinen Bruder Friedrich Ernst 1708 durch Taufbescheinigungen belegt ist. [8] In manchen Fällen, beispielsweise wenn ein Kind kränklich wirkte – wie 1623 Gräfin Sidonia Elisabeth –, wurde es in der Kapelle von Schloss Dyck getauft. [9] Auch Altgraf Joseph und seine Geschwister wurden baldmöglichst getauft, sein jüngerer Bruder Franz (1775–1826) noch am selben Tag, sein bereits 1773 verstorbener älterer Bruder Maria Alexander (30. Juli 1772 – 27. Mai 1773) am Tag nach seiner Geburt in der Schlosskapelle. Vielleicht lag der Grund darin, dass die älteste Schwester, Maria Crescentia, am 5. Juni 1771 im Alter von nur wenigen Stunden unmittelbar nach der Taufe verstorben war. [10]

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Im 16. und 17. Jahrhundert war es in der Familie Salm-Reifferscheidt üblich, in einem Taufbuch die Geburtstage der Kinder, den Tag ihrer Taufe und die Namen der Paten festzuhalten. Dasjenige, das Altgraf Ernst Salentin (1621–1684) anlegen ließ, ist in zweifacher Ausführung erhalten. [11] Sein Sohn Franz Ernst (1659–1727) führte die Aufzeichnungen nicht mehr fort. Erst Joseph ließ – wohl 1809, also bereits geraume Zeit nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau Maria Theresia – dessen Nachfahren bis zu seiner eigenen Generation in dem repräsentativeren der beiden Exemplare nachtragen und die Einträge beglaubigen. Seine Kinder, die zu diesem Zeitpunkt längst verstorben waren und die Familie nicht fortsetzen konnten, ließ er jedoch nicht mehr aufführen. Über die Taufe von Josephs Sohn Clemens Joseph Jakob (1796–1799) am 25. April 1796 im Wiener Schottenkloster existiert eine Bescheinigung, über sein erstes Kind ist nichts Sicheres bekannt, da die Taufen der Familie Salm-Reifferscheidt-Dyck nicht in den Kirchenbüchern der Pfarrei Bedburdyck vermerkt wurden. [12]

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Dass die Tauffeiern, wie allgemein üblich, auch auf  Schloss Dyck mit gewissem Aufwand und vermutlich einer größeren Gästezahl verbunden waren, ist dem Dycker Archiv nur ansatzweise zu entnehmen. [13] Neben den Paten und der engeren Familie wurden weitere Gäste geladen. Graf Johann IX. zu Salm-Reifferscheidt (1513–1559) lud 1548 zur Taufe seiner Tochter Anna ein, um "hieher uff die Digk [...] nebenn anderen Herenn unnd Freundenn froelich zue sein unnd helvenn tractierenn". [14] Wilhelm Heinrich Graf zu Bentheim, der nicht zum engen Familienkreis zählte, sagte 1628 die Teilnahme an der Taufe Ferdinand Albrechts bedauernd ab, weil er seine gerade begonnene "Saurbrunnen-Chur" nicht unterbrechen könne. [15] Da unter anderem für eine angemessene Verpflegung der Festgesellschaft gesorgt werden musste, schickte Dietrich Ludwig von Boulich im Februar 1619 zusammen mit Glückwünschen zur Geburt Graf Erich Adolfs (1619–1673) auch Hasen und Feldhühner aus Blankenheim, und der Großvater des Täuflings, Graf Werner (1545–1629), aus Reifferscheid "Rehe-Wilprett" und einen Schweinskopf. [16]
 

Anmerkungen

[1] Paul Hinschius: System des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, Band 4: Graz 1959, 43.

[2] Schleiden, 21. April 1621. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 306, 523. Graf Ernst war der Bruder der Gräfin von der Mark, über deren Eheschließung mit Graf Hermann Adolph zu Salm-Reifferscheidt 1608 ohne Abschluss verhandelt worden war.

[3] Andreas Gestrich: Art. "Patenschaft", in: Enzyklopädie der Neuzeit 9 (2009), 906-908, hier: 907. Vgl. Willibald M. Plöchl: Geschichte des Kirchenrechts, Band 2: Das Kirchenrecht der abendländischen Christenheit 1055–1517, Wien / München 1962, 262f.

[4] "Geburt- und Taufbuch der Herren Graffen und Fraulein zu Salm-Reifferscheidt etcae.". In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 582 (keine Seitenzählung).

[5] Dominik Daschner: Art. "Pate, Patin, Patenamt (geschichtlich)", in: Lexikon für Theologie und Kirche 7 (2006), 1450f., hier: 1450. Wegen der Kriegszeiten entschuldigten sich 1622 Anna Gräfin von dem Berg (zwei Briefe an Ernst Friedrich zu Salm-Reifferscheidt, Annenthal, 8. November 1622. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 306, 559-564) und 1623 Jost Hermann Graf zu Schauenburg (Jost Hermann Graf zu Schauenburg an Ernst Friedrich, Haus Gemen, 19. September [1623]. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 306, 547f.).

[6] Albrecht von Bayern an Ernst Friedrich zu Salm-Reifferscheidt, München, 22. Oktober 1628. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 408, 303f.

[7] Abschrift des Testaments der Maria Ursula vom 8. Oktober 1648, 21. Oktober 1648, o. O. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 437, 287-295, hier: 290.

[8] Hinschius: System des katholischen Kirchenrechts (wie Anm. 1), 36; Plöchl: Geschichte des Kirchenrechts (wie Anm. 3), 260, 263; Taufbescheinigung für August Eugen Bernhard, Bedburdyck, 24. August 1738. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 295, 407; und Taufbescheinigungen für Friedrich Ernst, Bedburdyck, 9. September 1727 und 22. Januar 1728. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 92, 283-285. Allerdings gab es Ausnahmen: Die Kinder des Altgrafen Ernst Friedrich (1583–1639) wurden unter anderem vom Abt von Gladbach, dem Abt von Knechtsteden und den Vikaren von Glehn in Verbindung mit einem Pater des Nikolausklosters getauft: Taufbuch der Familie bis 1628 (Abschrift des 19. Jahrhunderts). In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 580, 39-53.

[9] Taufbuch der Familie bis 1628 (Abschrift des 19. Jahrhunderts). In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 580, 47. Auch Johann Philipp (1666–1687), Sohn von Ernst Salentin und Magdalena Clara, wurde 1666 in Schloss Dyck getauft. Taufbescheinigung, Bedburdyck, 3. Mai 1685. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 459, 159. Vgl. Plöchl: Geschichte des Kirchenrechts (wie Anm. 3), 263.

[10] Aufstellung der Geburtstage und der Taufpaten des Grafen Joseph, seiner Schwester Walburga und seines Bruders Franz. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 507, 1f.; "Geburt- und Taufbuch der Herren Graffen und Fraulein zu Salm-Reifferscheidt etcae.". In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 582 (keine Seitenzählung).

[11] In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 582 und 583. Das "Taufbuch", das bis 1628 reichte, ist nur in einer Abschrift des 19. Jahrhunderts vorhanden. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 580, 1-54.

[12] Taufschein für Clemens Joseph Jakob, Wien, 27. Februar 1797. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 15/1, Nr. 18; Pro Memoria 180[9]. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 582 (keine Seitenzählung). Laut den Prozessakten des Reichskammergerichts in Wetzlar war das erste Kind ein Mädchen, floh mit Altgräfin Maria Theresia im Oktober 1794 vor den Franzosen und starb im Alter von nur 14 Monaten. Einrede Maria Theresias von Salm-Reifferscheidt-Dyck im Reichskammergerichtsprozess betreffend Rückkehr zu ihrem Ehemann, o.O., 16. April 1798. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 15/1, Nr. 12. Georg Allmang: Geschichte des ehemaligen Regulartertiarierklosters St. Nikolaus (bei Schloß Dyck, Kreis Grevenbroich, Rhld.) von seiner Gründung bis zur Jetztzeit, 1400–1911, Essen-Ruhr 1911, 127, schreibt dagegen, es sei ein Junge mit Namen Hortensius gewesen, der am 25. August 1793 geboren und kurz darauf verstorben sei.

[13] Beatrix Bastl: "Adeliger Lebenslauf". Die Riten um Leben und Sterben in der frühen Neuzeit, in: Adel im Wandel. Politik – Kultur – Konfession 1500–1700. Niederösterreichische Landesausstellung Rosenburg, 12. Mai – 28. Oktober 1990 (= Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 251), Wien 1990, 377-389, hier: 383.

[14] Graf Johann an einen Abt, Dyck, 26. Februar 1548. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 306, 513. Vgl. dazu Jakob Bremer: Die reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen, jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 495.

[15] Brief an Ernst Friedrich zu Salm-Reifferscheidt, Andernach, 11. Juli 1621. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 408, 307f.

[16] Dietrich Ludwig von Boulich an Gräfin Maria Ursula zu Salm-Reifferscheid, Blankenheim, 8. Februar 1619. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 467, 35; und Werner zu Salm an seinen Sohn Ernst Friedrich, 22. Februar 1619. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 467, 43-45, hier: 45.

Empfohlene Zitierweise
Monika Gussone, Taufe in der Familie, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Taufe (Datum des letzten Besuchs).