Der Tod von Constance de Salm
Eva Knels
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"[J]e viens de rendre les derniers devoirs à notre pauvre chère maman. J'ai le cœur tout navré. Mrs. de Pongerville, Ladoucette, Montémont et Raboteau ont fait des discours sur la tombe. Il y avait beaucoup de monde, malgré le temps affreux qu'il faisait." [1] Mit nur wenigen Zeilen berichtete Felix de Francq in einem Brief an seinen (Zieh-)Großvater Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck von der Beisetzung von dessen Frau Constance, die am 15. April 1845 auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise stattgefunden hatte. Die Dichterin und Schriftstellerin war zwei Tage zuvor, in den frühen Morgenstunden des 13. April, im Alter von 77 Jahren in ihrer Pariser Wohnung in der Rue Richer verstorben. Drei Ärzte und ihr Enkel Felix de Francq hatten sie in ihren letzten Stunden begleitet. Die Forschung hat in diesem Zusammenhang besonders die Abwesenheit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks beim Tod seiner Frau und auch bei der anschließenden Beisetzung als denkwürdig angemerkt. [2] Die im Fonds Salm (Société des Amis du Vieux Toulon et de sa Région, SAVTR) befindlichen Briefe Felix de Francqs an seinen in Dyck weilenden Großvater werfen jedoch erstmals Licht auf die Tage vor und nach dem Tod der Dichterin. Sie korrigieren das Bild einer eventuellen Entfremdung der Eheleute.
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Am Abend des 9. April hatte Constance de Salm über plötzliche Erschöpfung, Unwohlsein und Fieber geklagt. [3] Noch in der Nacht hatte sich ihr Zustand verschlimmert, sodass sie im Morgengrauen nach ihren Ärzten Cloquet und Lebatard rufen ließ – ein eher seltener Fall, denn Constance de Salm mied Ärzte, wenn irgend möglich. Ihr 'Geheimrezept' für eine gute Gesundheit war es stets gewesen, die Ratschläge von Medizinern zu missachten und verschriebene Medikamente grundsätzlich nicht einzunehmen. Am frühen Morgen diagnostizierten die Ärzte Bauchschmerzen und eine beginnende Lungenentzündung mit blutigen Auswürfen. Sie verschrieben Zug- und Blasenpflaster, ein Präparat aus mineralischem Thermalwasser, Mohnsirup sowie Veilchentee. Nach kurzzeitiger Besserung am Folgetag und optimistischer Haltung der Ärzte verschlechterte sich der Zustand von Constance de Salm dann jedoch am 11. April wieder deutlich. Nach wie vor klagte sie über starke Niedergeschlagenheit, Fieber, Bauchschmerzen, Lungenschmerzen und auch die konsultierten Ärzte zeigten sich nun skeptisch. [4]
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Die Fürstin war bereits zu schwach, um selbst noch einmal an ihren Mann zu schreiben. Über ihren Enkel ließ sie ihm jedoch ausrichten, wie sehr sie sich ihn herbeiwünsche:
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"Elle est bien au regret, cher Parrain, de vous savoir si loin d'elle dans ce moment; cette idée la tourmente et la chagrine beaucoup et elle serait bien heureuse si pouviez venir la retrouver: elle me charge de vous le dire et de vous en presser dans le cas où vos affaires n'y mettraient pas un obstacle absolu. Votre présence ici serait un grand soulagement pour elle, et elle est persuadée que la satisfaction qu'elle aurait à vous voir contribuerait beaucoup à hâter sa guérison." [5]
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Am 12. April – das Fieber war weiter gestiegen, der Puls hoch, die Atmung kurz und ruckartig geworden – war der bevorstehende Tod von Constance de Salm schließlich absehbar. Dennoch hatte Felix seinem Großvater von der beschwerlichen und langen Reise nach Paris abgeraten, weil die langen Post- und Reisewege ein rechtzeitiges Eintreffen ohnehin unmöglich machen würden. [6] Am darauffolgenden Tag berichtete er schließlich nach Dyck, dass Constance in der Nacht zum 13. April 1845 gestorben war:
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"L'affreux malheur que je redoutais hier a eu lieu et ainsi que l'avais prédis [sic!] les médecins, ma pauvre chère maman a cessé de vivre cette nuit à une heure moins un quarts, elle s'est éteinte graduellement sans souffrance et sans avoir eu reconnaissance de sa position. C'est une consolation dans un terrible moment, ou du moins c'est la seule qu'on puisse avoir. Les médecins ont essayé jusqu'au dernier moment et par acquis de consciences tous les moyens que leur prescrit la médecine, mais cela a été sans résultat aucun." [7]
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Nachdem die letzte Salbung vorgenommen war, wurde der Leichnam zunächst in einen Bleisarg gebettet, dieser wiederum in einen Eichensarg gelegt. [8] Als Ruhestätte wählte Felix de Francq den damals noch außerhalb der Pariser Stadtgrenzen liegenden Friedhof Père-Lachaise, der nach der Translation der sterblichen Überreste von Heloise und Abaelard sowie von Molière und La Fontaine im Jahr 1817 stark an Bedeutung gewonnen hatte. Um nicht zu "knausern", [9] wie Félix de Francq schreibt, hatte er zu Ehren seiner Großmutter ein großes Aufgebot erster Klasse bestellt, also eine offensichtlich kostspielige und pompöse Bestattung, deren Kosten sich auf 5.385 Francs beliefen. Im Beisein von zahlreichen Freunden und Bekannten, Diplomaten und offiziellen Entsandten wurde Constance de Salm nur zwei Tage nach ihrem Tod, am 15. April 1845, feierlich beigesetzt. Unter den Trauergästen befanden sich sowohl illustre Personen wie Alexander von Humboldt – der den Trauerzug anscheinend wegen Krankheit nicht mehr zum Grab begleitete [10] – als auch langjährige Vertraute und enge Freunde wie Pierre Raboteau, Jean-Baptiste Sanson de Pongerville und Jean Charles François de Ladoucette. Zuvor war ein Trauergottesdienst in der nicht unweit der Rue Richer gelegenen, erst wenige Monate zuvor fertiggestellten und geweihten, von Jacques Ignace Hittorff erbauten Kirche Saint-Vincent-de-Paul gehalten worden. [11]
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Im strömenden Regen hatte sich der Trauerzug, angeführt von Felix de Francq, gefolgt von Angehörigen und Freunden, von der Kirche in Richtung Père-Lachaise in Bewegung gesetzt. [12] Dort angekommen spitzten sich die Ereignisse noch einmal dramatisch zu. Denn die für das Grab der Dichterin ausgehobene Grube war durch den starken Regen offenbar unbrauchbar geworden. Nach einiger Verwirrung und Verzweiflung beschloss man schließlich, den Sarg vorübergehend in einer anderen Gruft abzustellen. Nach Trauerreden von Pongerville ("un discours fort bien"), Ladoucette ("assez mediocre"), Montémont und Raboteau ("des paroles pleines d'âme et partant du cœur"), ging die Trauergemeinde schließlich auseinander. [13] Pläne, die sterblichen Überreste der Fürstin nach Dyck in das dortige Sankt-Nikolaus-Kloster zu überführen, wurden offenbar wieder aufgegeben. [14] Ihr endgültiges Grabmal erhielt Constance de Salm vermutlich erst im Laufe des folgenden Jahres. [15] Es befindet sich noch heute auf dem Père-Lachaise in Paris.
Anmerkungen
[1] Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 15. April 1845. In: Fonds Salm (SAVTR), Digit. DHIP C04/S33/023-024. Alle weiteren Briefzitate stammen aus demselben Archiv-Bestand, der zwischen 2009 und 2012 am Deutschen Historischen Institut Paris digitalisiert und inventarisiert wurde.
[2] Vgl. Margit Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten... Leben und Werk des Dycker Schlossherrn Joseph Altgraf und Fürst zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861), Pulheim 2005, 137f. McNiven Hine schreibt, die Beerdigung sei von "tout Paris" besucht worden, jedoch nicht vom Ehemann der Verstorbenen, der in Dyck bei seinen Pflanzen geblieben sei. Vgl. Ellen McNiven Hine: Constance de Salm, Her Influence and Her Circle in the Aftermath of the French Revolution. "A mind of no common order", New York 2012, 20.
[3] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 9. April 1845, In: Digit. DHIP C04/S33/006-008.
[4] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 10. April 1945; 11. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/009-011, C04/S33/021-022.
[5] Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 11. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/012-014.
[6] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 12. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/015-017.
[7] Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 13. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/025-030.
[8] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 14. April 1845; 16. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/031-039, C04/S33/040-045.
[9] Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 14. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/031-039.
[10] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 16. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/040-045. Humboldt berichtete auch an den preußischen König von der Beisetzung: "Nous avons enterré dans la même semaine la Princesse Constance de Salm Dyck, décédée dans son bel hôtel Rue Richer. Tout le monde littéraire de Paris a afflué à cette cérémonie, un peu trop pompeuse pour la philosophie qu'à professée pendant sa vie cette vieille dame, bonne et très spirituelle. […] Le Prince étant absent à Dyck, le deuil a été conduit à la magnifique basilique de Hittorf [Saint Vincent de Paul, M.S.] par deux petit fils de la Madame de Salm, deux jeunes barons de Francq de la première incarnation Pipelet." Zitiert nach Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten (wie Anm. 2), 137.
[11] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 16. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/040-045.
[12] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 16. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/040-045.
[13] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 16. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/040-045.
[14] Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 14. April 1845. In: Digit. DHIP C04/S33/031-039.
[15] Aus weiteren Briefen geht hervor, dass mit den Planungen für ein Grabmal auf dem Père-Lachaise im Juli 1845 begonnen wurde. Die Arbeiten daran scheinen im November 1845 noch im Gange gewesen zu sein. Vgl. Felix de Francq an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Paris, 23. Juli 1845; 29. Juli 1845; 7. Juli [1845]; 28. November 1845. In: Digit. DHIP C10/S82/216-217; C10/S82/218-220; C10/S82/252-254; sowie C10/S82/274-276.