"Unvergängliche Werke des Geistes und der Wissenschaft" – die Schriftstellerin Constance de Salm und ihr Ehemann

Hannah Schneider

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Constance de Salm, damals noch Constance Pipelet, hat sich in ihrer in den Revolutionsjahren veröffentlichten Épitre aux femmes mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft in Bezug auf die schönen Künste auseinandergesetzt. [1] Sie fordert, dass ihrem Geschlecht hier ein Platz eingeräumt werde. In ihrem Umfeld, so schreibt sie 1801 an ihre Schülerin und Freundin Sophie de Salis (verheiratete Triquetti), habe sie die Erfahrung gemacht, dass für viele Frauen die Schriftstellerei nach der Heirat zu einem schönen Zeitvertreib herabsinke. Dies beurteilt Constance zwar nicht negativ, betont aber deutlich, dass es bei ihr anders aussehe: "Die Literatur ist fast schon zum Beruf für mich geworden, für Sie aber darf sie nur ein Zeitvertreib sein." [2] Ein im gleichen Jahr entstandenes Werk, die Épîtres à Sophie, warnt in der Einleitung vor "den Gefahren einer schlechten Wahl" – schließlich gebe man durch eine Ehe auch ein Stück Freiheit auf – und bietet dann eine humorvolle Klassifizierung der verschiedenen Arten von Ehemännern: jung, alt, eifersüchtig, untreu... . [3] In Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck hatte Constance schließlich einen Ehemann gefunden, der seiner eigenen Leidenschaft – der Botanik – nachging und sie zudem noch in ihrem literarischen Schaffen beriet und unterstützte.

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Der Fonds Salm, der leider nur einen Bruchteil der wohl noch sehr viel umfangreicheren Korrespondenz zwischen dem Paar enthält, lässt erahnen, wie sich die beiden Eheleute gegenseitig über das eigene Schaffen austauschten und an der Arbeit des jeweils anderen Anteil nahmen:

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"Lieber Freund, in Deinem Brief rätst Du mir, mir nicht über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die das nicht wert sind. Dies wäre ein guter Rat [...], wenn Du ihn selbst befolgen könntest; sobald aber der Regen Deine Jagd stört, Du eine neue botanische Art [entdeckst] oder der Druck Deiner Schriften nicht wie gewünscht vor sich geht, dann plagt Dich all das, wie andere Dinge mich plagen." [4]

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Constances Briefe aus dem Jahre 1844 an ihren Mann berichten so von ihrer Unzufriedenheit mit der Biographie, die ihr Korrespondenzpartner Mathieu-Guillaume-Thérèse Villenave über sie schreiben sollte. Zu ihren Lebzeiten hatte sich Constance sorgfältig um ihr Bild in der Öffentlichkeit bemüht, [5] auf die nach ihrem Tode erschienenen Biographien hielt Joseph dann ein wachsames Auge. Davon zeugt die Korrespondenz mit dem Enkel seiner Frau, Félix de Francq. Beide kümmerten sich zusammen um die Neuausgabe der 1829 erstmalig veröffentlichten Pensées, die nicht nur ihr Mann zu Constances wichtigsten Werken zählte. Zeitweilig hatte Joseph auch eine Veröffentlichung der Korrespondenz, wie sie seine Frau selbst geplant hatte, erwogen. Die Neuausgabe der Pensées konnte Joseph natürlich nicht allein vom Rheinland aus organisieren, er war jedoch an der Konzeption beteiligt und überwachte auch die Vermarktung des Werks. [6] Der Schriftsteller und Freund des Ehepaars Jean-Baptiste de Pongerville fasste die Rolle Josephs im Publikationsprozess in seinem Vorwort zu den schließlich 1846 um einen dritten Teil erweitert erscheinenden Pensées folgendermaßen zusammen:

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"Im Angesicht des Todes beendete sie den letzten Teil ihrer Pensées. Die nun vollständige Veröffentlichung erscheint heute als Garant für den Respekt, der ihrem Talent zu zollen ist, als eine Hommage ihres edlen Lebensgefährten. Konformität des Geschmacks und der Gefühle zogen ihn zu ihr und so fand er sein Glück. Gleichzeitig bot er ihr an, seinen hohen Rang mit ihr zu teilen, den beide noch erhöht haben, der eine durch das Studium der Wissenschaften, der andere durch literarischen Ruhm." [7]

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Dies klingt fast wie das Echo eines Briefes von Villenave an Constance, der sich 1843 rückblickend wie folgt über das Paar äußerte:

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"Beide haben sie in ihren Bund selbst hineingetragen, was das Gesetz dort nicht pflanzen konnte. Tugenden, Begabung, Sympathie, Vorlieben, die zwar nicht alle identisch sind, aber alle in der gleichen Liebe zur Arbeit zusammenlaufen, im gleichen Streben, nicht nur in der Würde eines Titels den öffentlichen Respekt und Ruhm zu suchen, der den unvergänglichen Werken des Geistes und der Wissenschaft in Gegenwart, Zukunft oder Nachwelt anhaftet." [8]

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Botanik oder Literatur – in den Augen ihrer Freunde scheint es die leidenschaftliche Arbeit in ihrem jeweiligen Interessengebiet gewesen zu sein, welche die beiden einte. Constance konnte hierbei stets auf die Unterstützung ihres Mannes Joseph zählen.
 

Anmerkungen

[1] Vgl. Martine Reid: Des femmes en littérature, Paris 2010, 31-34; Catriona Seth: La femme auteur: stratégies et paradigmes. L'exemple de Constance de Salm, in: Andrea Del Lungo / Brigitte Louichon (Hg.): La litterature en bas bleus. Romancières sous la Restauration et la monarchie de Juillet (1815–1848), Paris 2010, 195-213.

[2] Constance de Salm [hier noch Pipelet] an Sophie de Triquetti, 27. Mai 1801, in: Die Korrespondenz der Constance de Salm (1767–1845). Inventar des Fonds Salm der Société des Amis du Vieux Toulon et de sa Région (SAVTR). Elektronische Edition, DHI Paris 2013, C05/S37/016-017, hier: 017: "la littérature est presque devenue un métier pour moi, elle ne doit être qu'un amusement pour vous".

[3] Die vierbändige Gesamtausgabe der Werke der Constance de Salm ist digitalisiert auf Gallica, einer Webseite der französischen Nationalbibliothek, zugänglich unter: http://gallica.bnf.fr/, (16. 07. 2013).

[4] Constance de Salm an Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, 7. November 1844, in: Die Korrespondenz der Constance de Salm (1767–1845). Inventar des Fonds Salm der Société des Amis du Vieux Toulon et de sa Région (SAVTR). Elektronische Edition, DHI Paris 2013, C05/S38/111-113, hier: 112: "Tu me recommandes dans ta lettre, cher ami, de ne pas me tourmenter de choses qui n'en valent pas la peine; ce conseil serait bon […] si toi-même pouvais le suivre; mais ta chasse dérangée par la pluie, une nouvelle espèce […] dans ta botanique, l'impression de tes épreuves qui peut ne pas aller comme tu le désires, tout cela te tourmentera comme d'autres choses me tourmentent."

[5] Vgl. Ellen MacNiven Hine: Constance de Salm, Her Influence and Her Circle in the Aftermath of the French Revolution: A Mind of No Common, New York / Bern / Berlin 2012, 102-110.

[6] Vgl. auch die diesbezügliche Korrespondenz zwischen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck und Drais, dem Geschäftsmann des Ehepaars in Paris, aus dem Jahr 1846. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 2/51.

[7] Constance de Salm: Pensées de la princesse Constance de Salm. Nouvelle édition augmentée d'une troisième partie inédite..., Paris 1835, XV-XVI: "En présence même de la mort elle achevait la dernière partie de ses Pensées, dont la publication complète paraît aujourd'hui comme un gage du respect dû à son talent, comme un hommage du noble compagnon de sa vie", qui, attiré vers elle par la conformité des goûts et des sentiments, trouva le bonheur en lui offrant le partage du haut rang que tous les deux ont encore relevé, l'un par l'étude des sciences, l'autre par la gloire des lettres".

[8] Mathieu-Guillaume-Thérèse Villenave an Constance de Salm, 14. Dezember 1843, in: Die Korrespondenz der Constance de Salm (1767–1845). Inventar des Fonds Salm der Société des Amis du Vieux Toulon et de sa Région (SAVTR). Elektronische Edition, DHI Paris 2013, C03/S19/008-011, hier: 009: "Vous avez tous les deux mis dans votre union ce que la loi ne pouvait y mettre. Les vertus, les talens, la sympathie, des goûts, non tous les mêmes mais tous se rapprochant dans le même amour du travail, dans le même désir de chercher ailleurs que dans la dignité d'un titre, des droits à l'estime publique, et à la renommée qui s'attache dans le présent et dans l'avenir ou la postérité aux œuvres impérissables de l'esprit et de la science."

Empfohlene Zitierweise
Hannah Schneider, "Unvergängliche Werke des Geistes und der Wissenschaft" – die Schriftstellerin Constance de Salm und ihr Ehemann, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Werke (Datum des letzten Besuchs).