Martin Wolthaus
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Das Wasserschloss Dyck und die zugehörige Herrschaft bildeten seit Mitte des 17. Jahrhunderts den Hauptsitz der jüngeren Linie der Familie Salm-Reifferscheidt. Hier verbrachte der Altgraf Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck seine Kindheit. Trotz seiner Affinität zu Frankreich und seinen häufigen Reisen blieb Dyck für ihn der wichtigste Bezugspunkt. Dabei galt die Aufmerksamkeit des Altgrafen und späteren Fürsten besonders den Dycker Gärten. Abgesehen von Treib- und Gewächshäusern ist Joseph zu Salm in Dyck nicht als Bauherr in Erscheinung getreten. Er unterhielt und bewahrte lediglich den von seinen Vorfahren überkommenen Bestand.
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Bis heute präsentiert sich die umfangreiche Anlage im Großen und Ganzen so, wie sie unter dem Altgrafen Ernst Salentin zu Salm-Reifferscheidt (1621–1684) nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erneuert wurde. Der im Kern auf das Mittelalter zurückgehende westliche Bau wurde ab 1658 um drei Flügel erweitert. [1] Der Nordflügel lässt sich durch Maueranker in das Jahr 1663 datieren, weitere Baumaßnahmen scheinen bis 1664 abgeschlossen gewesen zu sein. [2]
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Dyck blieb auch in den folgenden Jahren eine Baustelle. Unter dem Nachfolger Ernst Salentins, zugleich Großvater des Fürsten Joseph, dem Altgrafen Franz Ernst zu Salm (1659–1727), erfolgten umfangreiche Neugestaltungen. Diese betrafen vor allem die Vorgebäude und Brücken, doch auch das Herrenhaus wurde weitergebaut bzw. modernisiert. [3] So entstand ein vierflügeliges Hauptgebäude, dessen Trakte ursprünglich dreigeschossig waren. [4] Nur der Ostflügel hatte bei identischer Traufhöhe zwei Stockwerke und diente mit seinen höheren Räumen vor allem der Repräsentation.
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Inventare aus den Jahren 1725 und 1859–1873 geben einen Überblick über die Nutzung der unterschiedlichen Schlossbereiche. [5] Im Ostflügel befanden sich neben dem großen Festsaal repräsentative Salons und Schlafzimmer. Der Südflügel diente der Familie zum Aufenthalt. Hier lagen im Erdgeschoss und Zwischenstock die Räume des täglichen Gebrauchs, wie beispielsweise das Speisezimmer und die Wohnung des Hausherrn. Im obersten Stockwerk waren Gästezimmer und die Ahnengalerie der Familie eingerichtet. Im Nord- und Westflügel befanden sich neben der Kapelle und der Küche vor allem Wirtschafts- und Lagerräume.
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Insgesamt umfasste die Anlage vier Inseln. Das Herrenhaus bildete das Zentrum, das von den verschiedenen Wirtschaftsbereichen umgeben war. Auf den vorgelagerten Inseln standen Wirtschaftsgebäude, denen unterschiedliche Funktionen zukamen und die eine weitgehende Versorgungsautonomie des Hauses sicherstellten.
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Direkt nördlich des Hochschlosses liegt auf einer eigenen Insel bis heute der Stallhof. Das dreiflügelige, zweigeschossige Gebäude entstand unter der Regierung des Altgrafen Franz Ernst. [6] Es barg im Erdgeschoss der Seitenflügel Pferdeställe für die eigenen und die Pferde der Gäste. Im Obergeschoss befanden sich das Archiv, Fremdenzimmer, Räume für die Beamten der eigenen Herrschaft und die männliche Dienerschaft. [7] Im Kellergeschoss erinnern noch heute Gefängniszellen an die feudalen Herrschaftsrechte es Hauses Salm-Reifferscheidt.
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Auf der dritten Insel liegt die 1764 erbaute Reitbahn. [8] Die Reitbahn ist eine zweiflügelige, zweigeschossige Anlage, die früher neben einer Reithalle auch die Wagenremisen, das Back- und das Brauhaus umfasste. Ursprünglich lag sie mit dem Waschhaus und der Bleiche auf einer eigenen Insel. Joseph zu Salm ließ das Waschhaus durch ein Gartenhaus ersetzen und die Bleiche zum Blumengarten umgestalten. Im Zusammenhang dieser Maßnahmen wurde auch der Graben zwischen der Reitbahn und dem Wirtschaftshof zugeschüttet. So kam es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu, dass zwei Inseln zu einer einzigen zusammengelegt wurden.
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Der Wirtschaftshof, die Torburg und die Orangerie liegen heute mit der Reitbahn und dem Gartenhaus auf der äußeren Schlossinsel. Der Wirtschaftshof bildet mit dem Verwalterhaus, der Scheune und den Viehställen ein bauliches Konglomerat aus verschiedenen Jahrhunderten. Die Orangerie hingegen wurde 1793 unter Joseph zu Salm nach einheitlicher Planung errichtet und dominiert das Orangerieparterre mit dem abschließenden barocken Brückenpavillion von 1769. [9] Die Torburg verbindet die Orangerie mit dem Wirtschaftshof. Dieses dreigeschossige Gebäude war schon von Ernst Salentin errichtet worden und bildet den repräsentativen Hauptzugang zur Schlossanlage. Entsprechend hatte hier zur Zeit des Fürsten Joseph der Portier seine Wohnung. [10]
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Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte Ernst Salentin aus einer wehrhaften Burg einen repräsentativen Herrschaftssitz gemacht. Zusammen mit dem Nikolauskloster – der Grablege der Familie – und dem Dycker Weinhaus war Schloss Dyck das Zentrum einer reichsunmittelbaren Herrschaft, deren Regierung im Jahr 1793 Altgraf Joseph zu Salm antrat. [11] Mit dem Wegfall jeglicher adliger Herrschaftsrechte im Gefolge der Französischen Revolution bzw. der Besetzung und Annexion des linken Rheinufers durch die Franzosen wurden Einrichtungen wie das Gefängnis und die Beamtenschaft überflüssig. Das Waschhaus und die Bleiche ließ der botanisch interessierte Fürst Joseph zugunsten seiner Gartenanlagen umgestalten. Dennoch blieb Schloss Dyck auch unter seiner Ägide eine weitgehend autarke Welt. Bier und Brot wurden weiterhin vor Ort selbst produziert. Für die Fertigung der Jagdgewehre beschäftigte der Fürst – wie bereits seine Vorfahren – einen eigenen Büchsenmacher. [12] Den Verlust seiner Herrschafts- und Souveränitätsrechte hat Fürst Joseph allerdings nicht kompensieren können. Seine Bemühungen, in Preußen als Standesherr anerkannt zu werden, blieben letztlich fruchtlos.
Anmerkungen
[1] Vgl. Verzeichnis der Bauausgaben des 17. und 18. Jh. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 583, f. 25r.
[2] Im Juli 1664 erfolgte der Innenausbau. Vgl. Verzeichnis der Bauausgaben des 17. und 18. Jh. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 583, f. 81r.
[3] Vgl. Verzeichnis der Bauausgaben des 17. und 18. Jh. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 583, f. 84v.
[4] Ende des 19. Jahrhunderts ließ Fürst Alfred zu Salm-Reifferscheidt-Krautheim und Dyck das Zwischenstockwerk im Südflügel abbrechen, so dass dieser Bereich den repräsentativen Formen des Ostflügels angeglichen werden konnte. Die Inschrift über dem Haupteingang des Schlosses nennt das Jahr 1898: ALFRED PRINCEPS ET COMES ANTIQUES IN SALM REIFFERSCHEIDT/ ET UXOR EIUS MARIA COMTISSA DE BELLEGARDE/ HANC DOMUM RENOVARUNT ANNO MDCCCXCVIII.
[5] Inventar Schloss Dycks von 1725. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 214, 95-136; Inventare Schloss Dycks von 1859–1873. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 424, 1-99.
[6] Vgl. Verzeichnis der Bauausgaben des 17. und 18. Jh. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 583, f. 84v.
[7] Vgl. Inventar Schloss Dycks von 1725. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 214, 109f.
[8] Der Schlussstein im Hauptportal ist mit 1764 datiert und zeigt die Initialen des Grafen August Eugen Bernhard zu Salm (1706–1767). Dieser war der Onkel des späteren Fürsten Joseph.
[9] Die Datierung erfolgte mithilfe dendrochronologischer Untersuchungen. Vgl. Sabine Lepsky: "…das sich die Sonne beßser fangen kann…" – Die "Orangerie" in Schloss Dyck, in: Denkmalpflege im Rheinland 24 (2007), Nr. 1, 1-10. Der Brückenpavillion ist durch Maueranker datiert.
[10] Vgl. Inventare Schloss Dycks von 1859–1879. in: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 424, 43.
[11] Vgl. Heinke Wunderlich: Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt. Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime, Heidelberg 1984, 21.
[12] Bei der Versteigerung der Waffensammlung im Jahr 1992 wurden noch über 40 Schusswaffen von mindestens drei unterschiedlichen Dycker Büchsenmeistern gelistet. Vgl. Christie's: The Armoury of Their Serene Highnesses the Princes zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (Part 1), Auktionskatalog, London 1992, 13f., 20-22; und Christie's: The Armoury of Their Serene Highnesses the Princes zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (Part 2), Auktionskatalog, London 1992, 21-24, 37. Laut Jakob Bremer war das Amt des Dycker Büchsenmachers seit 1578 über 300 Jahre ununterbrochen besetzt gewesen. Vgl. Jakob Bremer: Die reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 110.