Elisabeth Schläwe
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Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach (1743–1805) heiratete im Jahr 1769 Altgraf Johann Franz Wilhelm zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1714–1775). Dieser war der jüngste von drei Brüdern und eigentlich seit 1722 bzw. 1734 Domkapitular in Köln und Straßburg. [1] Nachdem die Ehe seines ältesten Bruders August Eugen Bernhard (1706–1767) kinderlos geblieben war, übernahm Johann Franz Wilhelm im Jahr 1767 die Herrschaft in Dyck. Der dritte der Salm-Reifferscheidt'schen Brüder, Friedrich Ernst (1708–1775), ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg, war zu diesem Zeitpunkt wohl schon zu alt, als dass er für den Erhalt der Linie hätte sorgen können. [2]
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Die Braut Augusta Maria war zum Zeitpunkt der Hochzeit 26 Jahre alt, ihr zukünftiger Mann war mit 55 Jahren deutlich älter. Bereits vor dieser Ehe bestanden Verbindungen zwischen den beiden Adelsgeschlechtern. So waren sowohl die Salm-Reifferscheidt-Dyck als auch die Truchsess Zeil-Wurzach seit etlichen Generationen in den Domkapiteln von Köln und Straßburg vertreten. Joseph von Zeil-Wurzach, ein jüngerer Bruder der Braut, war seit 1762 Domherr in Köln und Straßburg, ihr Onkel Joseph Karl war Domprobst in Köln und Küster in Straßburg. [3] Außerdem hatte Eleonore Truchsess Zeil-Wurzach, eine ältere Schwester Augusta Marias, im Jahr 1764 Sigismund von Salm-Reifferscheidt-Bedburg geheiratet. [4]
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Aus der 1769 geschlossenen Ehe entstanden insgesamt fünf Kinder. Jedoch verstarb das erste Kind, eine Tochter namens Crescentia, bereits kurz nach der Geburt. Das zweite Kind, ein Sohn namens Alexander, starb zwei Tage vor seinem ersten Geburtstag. [5] Mit der Geburt Josephs am 4. September 1773 erfüllte Augusta Maria letztlich ihre Pflicht, einen gesunden Stammhalter zur Welt zu bringen. Mit Franziska Walburga und Franz Joseph folgten zwei weitere Kinder, die ebenfalls das Erwachsenenalter erreichen sollten. [6] Die Geburt Franz Josephs sollte der mittlerweile 61-jährige Vater nicht mehr erleben. Nach "einer bis in den fünften Tag angehaltenen Colic und Inflamation" starb er am 17. August 1775 auf Schloss Dyck. [7]
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Die hochschwangere Witwe befand sich zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes ebenfalls auf Schloss Dyck. Bei ihr waren ihre Schwester Eleonore und deren Mann Sigismund zu Salm Reifferscheidt. Augusta Maria war nunmehr Regentin. Mitvormund wurde ihr Bruder Joseph, Domherr zu Köln und Straßburg. Dies hatte Johann Franz Wilhelm selbst noch vor seinem Tod festgelegt, wie aus dem Brief des Vormundschaftsrats Löltgen hervorgeht. [8]
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Das Haus allein konnte nach dem Tod des Vaters keine standesgemäße Erziehung der Kinder mehr garantieren. Daher entschied sich die Witwe dafür, ihre Kinder schon in jungen Jahren zum Schulbesuch nach Köln zu schicken. Die Tochter Walburga wurde im Alter von vier Jahren in das Stift St. Ursula aufgenommen, die Söhne besuchten das Xaverianum und später das Gymnasium Tricoronatum. [9] Die Regentin selbst scheint ihren Lebensmittelpunkt in diesem Zeitraum ebenfalls nach Köln verlagert zu haben. So war sie in der Nähe ihrer Kinder und konnte deren Fortschritte besser verfolgen. Sie residierte im "Salmschen Hof" in der Trankgasse, den Graf Franz Ernst zu Salm-Reifferscheidt im Jahr 1721 erworben hatte, und ließ diesen prächtig ausstatten, um dort standesgemäß Hof halten zu können. [10]
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Vermutlich lieferten die damit verbundenen Ausgaben weiteren 'Zündstoff' für einen langwierigen Prozess, den Augusta Maria gegen ihren Bruder und Mitvormund führte und der die Zeit der Regentschaft prägen sollte. Hauptstreitpunkte waren in diesem Zusammenhang nämlich "Vermögensfragen und Gütersachen" sowie "die Aufstellung von Inventarien und Offenlegung von Rechnungen." [11] Beigelegt wurde der Streit erst im Mai 1793 mit der Großjährigkeitserklärung Josephs durch Kaiser Franz II. [12]
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Zu Beginn der Kavalierstour ihrer Söhne kümmerte sich Augusta Maria persönlich um deren Ausstattung. So reiste sie zusammen mit allen drei Kindern, dem Hofmeister Abbé Jacob und zwei Bediensteten nach Brüssel, um vor Ort angemessene Kleidung und Utensilien, wie silbernes Tafelbesteck, Handtücher, Bürsten und Seidenstrümpfe, zu kaufen. [13] Über den weiteren Verlauf der Studienreise wurde die Regentin in regelmäßigen Abständen per Brief durch Abbé Jacob informiert. Somit konnte sie aus der Ferne Einfluss auf das Programm der Tour nehmen. Von ihr selbst sind leider keine Briefe im Dycker Archiv überliefert. [14]
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Nach der Großjährigkeitserklärung Josephs fand nicht nur der Prozess gegen ihren Bruder ein Ende, sondern freilich auch die Regentschaft. Über die weiteren Lebensjahre Augusta Marias ist bisher nichts bekannt. Sie starb im Jahr 1805. [15]
Anmerkungen
[1] Peter Hersche: Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert. Bd. 1: Einleitung und Namenslisten, Bern 1984, 269.
[2] Heinke Wunderlich: Studienjahre der Grafen Salm-Reifferscheidt (1780–1791). Ein Beitrag zur Adelserziehung am Ende des Ancien Régime, Heidelberg 1984, 18.
[3] Hersche: Domkapitel (wie Anm. 1), 287.
[4] Anton Fahne: Geschichte der Grafen, jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheid, sowie ihrer Länder und Sitze nebst Genealogie derjenigen Familien, aus denen sie ihre Frauen genommen. Erster Band, Erste Abteilung, 122.
[5] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2), 325, Anm. 23.
[6] Franziska Walburga wurde am 13. August 1774 geboren, Franz Joseph am 16. Oktober 1775.
[7] Brief des Vormundschaftsverwalters Löltgen an Joseph Truchsess Zeil-Wurzach, Schloss Dyck, 17. August 1775. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 505, 73.
[8] Brief des Vormundschaftsverwalters Löltgen an Joseph Truchsess Zeil-Wurzach, Schloss Dyck, 17. August 1775. In: Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 505, 73.
[9] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2), 22f.
[10] Margit Sachse: Als in Dyck Kakteen blühten... Leben und Werk des Dycker Schlossherrn Joseph Altgraf und Fürst zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, Pulheim 2005. 41f.
[11] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2), 21.
[12] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2), 21. Großjährigkeitserklärung vom 31. Mai 1793. In: Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Jospeh zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 16/1.
[13] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2), 47.
[14] Die Briefe des Abbé Jacob befinden sich im Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 577. Ausführlich zum Verlauf der Studienzeit und vor allem zur währenddessen erworbenen Studienbibliothek: Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2).
[15] Wunderlich: Studienjahre (wie Anm. 2), 20.