Kontakt zum preußischen Königshaus

Hans-Werner Langbrandtner

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Nach dem Sturz Napoleons gelang Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck sehr schnell der Wechsel auf die Seite der Sieger. Er wurde bereits im Februar 1814 zum Mitglied der zentralen Regierungskommission für die Verwaltung des russisch besetzten Roer-Departements ernannt. [1] Da er den Geheimrat von Gärtner [2] mit der Wahrung seiner Ansprüche bei den Unterhandlungen des Wiener Kongresses betraut hatte, war er bereits früh über die zukünftige Staatszugehörigkeit der ehemals französischen Gebiete rechts und links des Rheins informiert. Er nutzte diesen Informationsvorsprung und richtete sogleich eine Ergebenheitsadresse an den preußischen König:

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"Ein großer Theil des linken Rheinufers hat in Gefolge glücklicher Ereignisse, bey welchem die königlich preußische Armee sich mit Ruhm bedeckte, jetzt das Glück, in Eurer Majestät ihren König und Landesvater zu verehren. Zu diesem gehört auch das altgraeflich-fürstliche Gesamt-Haus Salm in Ansehung seiner auf beyden Rhein-Ufern gelegenen Besitzungen. Geruhen demnach Eure Königliche Majestät allergnädigst zu erlauben, daß ich in dieser Beziehung meine und meiner Agnaten Huldigung darbringe."[3]

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Bereits acht Monate vor dem Besitzergreifungspatent Friedrich Wilhelms III. für die Rheinlande vom 5. April 1815 ersuchte Joseph Staatskanzler Hardenberg um seine Fürsprache beim Finanzminister Hans Graf von Bülow. [4] Es ging ihm um die Stelle als Oberjägermeister für die neuen westlichen Provinzen:

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"[…] Seine Vorzugs-Liebe für alles, was Forst und Jagd-Wesen betrifft, flößte ihm den Wunsch ein, von Seiner Majestät als Oberjägermeister in diesen neuen Provinzen angestellt und mit allen dem beauftragt zu seyn, was die Oberaufsicht über Forstöconomie und Jagdordnung unter Finanz- und Polizey-Rücksicht erfordert. Der Altgraf darf sich schmeicheln, durch eigene Erfahrung alle theoretischen und praktischen Kenntnisse vollständig zu besitzen, welche zu diesem Beruf nötig sind. Er ist innigst überzeugt, Seiner Majestät nützliche Dienste in einem der wichtigsten Zweige der Staatseinkünfte dieser Länder leisten zu können, und mit dem größten Vergnügen würde er sich einem Geschäfte widmen, welches seinem Hange zum ländlichen Leben und allen seinen Neigungen einzig und vollständig entspricht."[5]

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Doch schon bald darauf rückten für Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck die Erhebung in den Fürstenstand (1816) und das Ringen um die Anerkennung als Standesherr gemäß der Bundesakte Artikel XIV in den Vordergrund. Die Weigerung Friedrich Wilhelms III., ihm abgesehen von einer Virilstimme im ersten Stand des Provinziallandtags (1826) auch die Standesherrschaft zuzusprechen, sowie der politische Gegensatz in der Frage des Rheinischen Rechts und der Einberufung eines gemeinsamen Landtags für Preußen überschatteten sein Verhältnis zu Friedrich Wilhelm III. Fürst Joseph suchte in der Folgezeit vor allem den Kontakt zum Kronprinzen Wilhelm.

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Als die Unruhen der französischen Julirevolution auf Belgien übergriffen und schließlich von Berlin als Gefahr für die politische Stabilität in den preußischen Westprovinzen eingestuft wurden, ernannte Friedrich Wilhelm III. im Herbst 1830 den Kronprinzen zum Generalgouverneur der westlichen Provinzen und stattete ihn als solchen mit einer Reihe außerordentlicher Befugnisse aus. Nachdem Freiherr von Ingersleben, seinerzeit Oberpräsident der Rheinprovinz, eine Kontaktaufnahme zum Kronprinzen befürwortet hatte, [6] wandte sich Fürst Joseph am 28. Januar 1831 an ihn mit einem kritischen "Promemoria" über die Verhältnisse im Rheinland:

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"Auch wir [Rheinländer, H.-W. L.] erhielten die Zusicherung aller Rechte, die wir unter der französischen Regierung besaßen, und am 22ten Mai 1815 versprachen Seine Majestät, der König, dem preußischen Staate eine repräsentative Verfassung. Es schien zu jener Zeit in allen Cabinetten die klare Ansicht zu herrschen, daß das kräftigste Mittel, um die Staaten gegen neue Erschütterungen zu schützen, in zeitgemäßer Concession zu suchen sey. Der Augenblick dazu war günstig; die Völker würden sich mit allem begnügt haben, und während der bereits verflossenen 15 Friedensjahren hätten diese neuen Institutionen die Zeit gehabt, sich auszubilden und zu befestigen. Diejenigen also, welche die Fürsten beredet haben, die gegebenen Versicherungen nicht zu erfüllen oder (wie in Frankreich) die bereits erfüllten in ihrem Geiste zu verfälschen, haben eine schwere Verantwortung übernommen."[7]

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Die Antwort des Kronprinzen war zunächst sehr zurückhaltend – "Wie ich keineswegs die Mitteilung Ihrer Ansichten über die Verhältnisse der Provinz von Ihnen verlangte [...]"[8] –, aber Fürst Joseph gelang es späterhin, den Kronprinzen mit seinen detaillierten Kenntnissen über die innerfranzösische Situation zu beeindrucken, so dass eine gewisse Vertrautheit im brieflichen und persönlichen Umgang miteinander entstand. Anlässlich der Rückkehr des Kronprinzen nach Berlin Ende 1831 bedauerte Fürst Joseph, dass er ihn nicht persönlich verabschieden könne:

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"Mein aufrichtiger Wunsch wäre es gewesen, Euer Königlichen Hoheit mündlich das Bedauern ausdrücken zu können, welches ich bei der Nachricht höchstdero Abreise empfunden habe; ein hartnäckiger Katharr erlaubt mir aber nicht, den Weg von hier nach Cöln zu machen."[9]

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Der persönliche Kontakt zum Kronprinzen blieb weiterhin bestehen; nunmehr als König Friedrich Wilhelm IV. sprach er Fürst Joseph 1845 sein Beileid über den Tod seiner Frau Constance aus. [10] Doch das gegenseitige Verhältnis war nicht tragfähig genug, als dass es Fürst Joseph für sein politisches Anliegen, die Schaffung einer gesamtpreußischen Ständevertretung, hätte nutzen können. Als Friedrich Wilhelm IV. 1847, nachdem sich die innenpolitische Lage in Preußen bedrohlich zugespitzt hatte, eine Versammlung aller Provinzialstände nach Berlin einberief und Fürst Joseph zum stellvertretenden Landtagsmarschall ernannte, nahm dieser, wie er schrieb, die Ehrung nicht mehr aus innerer Überzeugung, sondern nur noch aus Pflichtgefühl an. [11] Seitens der Berliner Adelskreise und auch Alexanders von Humboldt erfuhr Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck allerdings hohe Anerkennung für seine politische Haltung: als Liberaler, der bei seinen 'fortschrittlich' gesinnten Standesgenossen in hohem Ansehen stand, und aufgrund seines "durchdringenden Verstande[s], der Güte seines Geistes und dem edlen Freimute seiner Meinungen". [12]
 

Anmerkungen

[1] Archiv Schloss Dyck, Bestand Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck – Kart. 35/13: Der in Lüttich unterzeichnete Erlass des Gouverneurs General von Kniper datiert vom 11. Februar 1814.

[2] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 127f.

[3] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 527, 257: undatierte Abschrift der Ergebenheitsadresse.

[4] Hans Graf von Bülow war 1813–1817 preußischer Finanzminister.

[5] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 241: Abschrift des Schreibens vom 2. Juni 1814.

[6] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 311. Zu Karl Heinrich Ludwig von Ingersleben vgl. Horst Romeyk: Die leitenden staatlichen und kommunalen Beamten der Rheinprovinz 1816–1945 (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 69), Düsseldorf 1994, 549.

[7] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 267-289: Das "Promemoria" ist in einer Entwurfsfassung und in Form einer Abschrift erhalten. Vgl. hierzu auch Jakob Bremer: Die reichsunmittelbare Herrschaft Dyck der Grafen jetzigen Fürsten zu Salm-Reifferscheidt, Grevenbroich 1959, 197, 235-240.

[8] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 263.

[9] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 305.

[10] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 401.

[11] Archiv Schloss Dyck, Blaue Bände – Band 519, 405, 407.

[12] Bremer: Herrschaft Dyck (wie Anm. 7), 244f.

Empfohlene Zitierweise
Hans-Werner Langbrandtner, Kontakt zum preußischen Königshaus, aus: Martin Otto Braun, Elisabeth Schläwe, Florian Schönfuß (Hg.), Netzbiographie – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773-1861), in: mapublishing, 2014, Seitentitel: Königshaus (Datum des letzten Besuchs).